Das Lager Jarek

Das Lager Jarek     (vom  Dezember 1944  bis  April 1946)

Einleitung

Das Donauschwäbische Dorf Jarek in der Batschka wurde am 7. und 8. Oktober 1944 von fast allen seinen 2.000 Bewohnern in mehreren Trecks verlassen. Sie flüchteten vor dem heranrückenden russischen Heer und vor den Partisanen. Die Bewohner, die keinen Pferdewagen hatten, wurden mit Lastwagen des deutschen Militärs nach Neusatz an die Donau gebracht und mit Schiffen evakuiert. Es blieben nur ganz wenige Familien und einige alte Leute zurück, die sich den Strapazen der Flucht nicht aussetzen wollten.

Das menschenleere Dorf, in dem die gesamte Ernte eingebracht worden war, wurde in den folgenden Wochen komplett leer geplündert und schon am 4. Dezember 1944 wurden die ersten Donauschwäbischen Bewohner der Nachbardörfer, die nicht geflüchtet waren, in das neu errichtete “Internierungslager” Batschki–Jarak eingewiesen.

Der Grund für diese so genannte Internierung waren die “Avnoj Gesetze”, die im November 1944 in Jajce erlassen wurden und noch heute gültig sind. In diesen  Gesetzen wurde  der gesamte Besitz der Donauschwaben enteignet und die Donauschwaben wurden aller Bürgerrechte beraubt und für vogelfrei erklärt.

Das Lager Jarek hat eine traurige Berühmtheit erlangt. Vom 4. Dezember 1944 bis zu der Auflösung des Lagers in der Karwoche 1946 waren hier zwischen 15.000 und 17.000 Menschen interniert, von denen ca. 6.500 durch Hunger, Krankheiten und Misshandlungen durch die Partisanen ihr Leben verloren und in Massengräbern verscharrt wurden. Es handelte sich vorwiegend um Alte und  Kinder, sowie  Arbeitsunfähige, die aus den andern Lagern der Batschka, Gakovo und Kruschiwl, hierher gebracht wurden. Mit Recht kann also gesagt werden, dass das Lager Jarek ein Vernichtungs- und Sterbelager war.

Von den daheim geblieben Jareker Familien und alten Menschen verloren auch viele ihr Leben im Lager. Diese Zahl wurde dadurch erhöht, dass einige Familien, die anfangs mit auf der Flucht gewesen waren, bei der ersten  sich bietenden Gelegenheit wieder nach Jarek zurück kehrten und natürlich sofort in das Lager gesteckt wurden. Die Überlebenden des Lagers Jarek wurden nach der Auflösung in die anderen Lager überführt, aus denen manchen die Flucht nach Ungarn glückte. Viele Überlebende konnten aber erst in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts nach Deutschland ausreisen.

In Erlebnisberichten schilderten die Überlebenden ihre Erfahrungen im Lager Jarek. Diese Berichte wurden zum Teil in dem Buch “Leidenswege der Donauschwaben” veröffentlicht.  Im Jareker Heimatbuch ”Zammegetraa“, Heddesheim, 1994, wurden einige Berichte von Michael Schmidt und Gustav Morgenthaler in einem Kapitel ”Das Lager Jarek“ gekürzt wiedergegeben. Die folgenden Seiten sind diesem Buch entnommen.

Unsere Webseite soll auch anderen Überlebenden eine Plattform bieten, wo sie ihre Berichte und Erfahrungen einstellen können. Bitte setzen Sie sich dazu mit mir in Verbindung (inge.morgenthaler@hog-jarek.de).

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Das Lager Jarek, 1944 -1946

(Quelle: Heimatbuch ”Zammegetraa, OA Jarek, Heddesheim 1994)


Die AVNOJ-Beschlüsse, die am 21. November 1944 in Jajce gefasst wurden, sahen die Kooperation der Volksdeutschen in Jugoslawien mit dem “Feind” als erwiesen an und bestimmten - als Konsequenz dieser Zusammenarbeit und Unterstützung des Feindes - die vollständige Enteignung der zurückgebliebenen und geflüchteten Deutschen. Unmittelbar nach diesen AVNOJ-Beschlüssen erfolgte die Errichtung des Konzentrationslagers Jarek, als erstes von 3 Lagern  in der Batschka (Jarek, Gakowo und Kruschiwl).

JAREK, deutscher Ortsname, (serbokroatisch: Backi-Jarak, ungarisch: Tiszaistvanfalva) war ein rein deutsches, evangelisches Dorf. Es wurde 1787 als letztes der josefinischen Ansiedlungsperiode gegründet und hatte im Monat Oktober 1944 knapp 2.000 Einwohner. Diese sind - bis auf wenige Ausnahmen, z. B. alte Leute und zwei andere Familien – am 7. und 8. Oktober 1944 alle samt Pferd und Wagen, auf Traktoren mit Anhängern, per LKW und dann per Donauschiff geflüchtet. Ein ganzes Bauerndorf, mit einer im Überfluss produzierenden Landwirtschaft, mit Früchten gefüllten Speichern (1*), mit einer kaum vorstellbaren Menge von Vieh in den Ställen (2*), stand plötzlich über Nacht leer und lud zu Plünderungen ein. Die Plünderungen zogen sich praktisch vom Oktober 1944 über einige Wochen hin. Das meiste wurde von den Ungarn nach Temerin verschleppt, die Bewohner der umliegenden serbischen Salaschen beteiligten sich kaum an den Plünderungen.

Dieses leer stehende Schwabendorf wurde als geeignet angesehen, zu einem Sammellager für daheim gebliebene alte, kranke, arbeitsunfähige Donauschwaben und deren Kinder zu werden. Es wurde ein Todes- und Vernichtungslager.

Bereits Anfang Dezember 1944 wurden die ersten Insassen aus verschiedenen nahe gelegenen deutschen Dörfern eingeliefert. Von nun an sollten 17 Monate lang, bis zur Auflösung des Lagers in der Karwoche 1946 (einige berichten von der Auflösung am Palmsonntag), Tausende und Abertausende volksdeutscher Männer, Frauen und Kinder in diesem Lager leiden und mit dem von den Partisanen vorprogrammierten Ziel  auch sterben.

Verschiedenen Quellen nach betrug die Höchstzahl der Lagerinsassen etwa 15.000. Ein Landsmann aus Futog, der Jarek überlebt hat, spricht von 16.000 bis 17.000, einer aus Schowe von 16.000 bis 18.000.

Leopold Rohrbacher beziffert die Lagerinsassen am 16.8.1945 mit 18.068 (aus dem Buch ”Ein Volk ausgelöscht”); im Frühjahr 1945 mit 16.700 Personen.

Die Zahl der Toten, die in diesen 17 Monaten des Lagerlebens verstarben, wird von Dr. Josef Neuner mit 6.434 angegeben. Dr. Hans Müller, Lagerarzt in Jarek, berichtet von 6.536 Toten.

Gustav Morgenthaler, Mitglied des Ortsausschusses Jarek, hat in mühevoller Forschungsarbeit die Namen der Toten aus den verschiedensten Ortschaften zusammengetragen. Seine Arbeit ist noch nicht vollständig, aber auch er kommt bereits auf eine Zahl von 5.491 namentlich erfassten Toten, die an den unmenschlichen Bedingungen im Lager verstorben sind (siehe nachfolgende Aufstellung).

Legt man die glaubhafte Totenzahl von Dr. Neuner mit 6.434 Personen zugrunde, sind in 17 Monaten täglich 13 Personen verstorben.

(1*)   Der letzte Bürgermeister (Richter) von Jarek, Nikolaus Schurr, hinterließ
              Aufzeichnungen über das zurückgebliebene Vermögen. Demnach blieben
              an Früchten zurück: 1.665 Waggons a 20 Tonnen mit Mais, Weizen, Hanf,
              Sonnenblumen, Gerste, Hafer, u. ä. !

(2*)   Gleiche Quelle: 3.200 St. Mastschweine, 2.220 St. Rindvieh, 1.200 St. Pferde,
              ca. 13.000 St. Hühner, Enten und Gänse !

(zurück)

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Die "Sterbeliste" des Lagers Jarek aus 45 Gemeinden (1944 -1946)
  
 

   Es starben im  Lager  Jarek  aus den folgenden 45 Gemeinden:

   

   Altker

70 Personen  

   Apatin

27 Personen  

   Banoschtor

1 Person     

   Batsch Sentivan (Prig. Sv. Ivan)

18 Personen  

   Beschka

1 Person     

   Budisava

18 Personen  

   Bukin

391 Personen  

  Bulkes

655 Personen  

   Batschko Novo Selo

373 Personen  

   Charlville

1 Person     

   Neu Futog

76 Personen  

   Alt Futog

163 Personen  

   Feketitch

12 Personen  
(nur 3 sind namentlich erfasst)  

   Gajdobra

332 Personen  

   Neu Gajdobra (Wekerledorf)

186 Personen  

   Gospodjinci

7 Personen  

   Indija

10 Personen  

   Jarek

31 Personen  

   Kernei

1 Person     

   Kischker

182 Personen  

   Kulpin

10 Personen  

   Kutzura

76 Personen  

   Kula

96 Personen  

   Miletitch (Srpski Miletic)

6 Personen  

   Nadalj

1 Person      

   Neu Pazua

3 Personen  

   Obrovac

127 Personen  

   Neu Palanka

218 Personen  

   Deutsch Palanka

376 Personen  

   Schabalj

61 Personen  

   Sajkasch Sveti Ivan

24 Personen  

   Sekitsch

46 Personen  

   Setschan

1 Person     

   Sonta

2 Personen  

   Schowe


507 Personen  
(8 Personen sind namentlich nicht erfasst)  

   Titel

48 Personen  

   Temerin

40 Personen  

   Torschau

270 Personen  

   Tscherwenka

135 Personen  

   Towarisch

1 Person     

   Vukowar

28 Personen  

   Weprowatz

103 Personen  

   Werbas (Alt und Neu)

601 Personen  

   Petrovaradin

12 Personen  
(es sollen jedoch über 20 Personen gewesen sein)  

      Tschib/Cib

144 Personen  

   

   zusammen namentlich erfasst:
    (Stand: 1989)

5 491 Personen  

 

Die Gemeinde Bulkes hat mit 655 Personen die höchste Zahl an Toten im Lager Jarek zu beklagen.

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Die Aufarbeitung dieser historischen Ereignisse und Präzisierung dieser Zahlen ist noch im Gange. Jedoch dürften ohne Zugang zu den gewiss noch vorhandenen Unterlagen und Akten an Ort und Stelle  der Öffentlichkeit keine glaubhafteren Zahlen mehr vermittelt werden.

Jarek, 14 km nördlich von Novi Sad (Neusatz) gelegen, war mit dieser Stadt durch eine gute Straße verbunden. In Nord-Süd Richtung wurde diese Straße - Hauptgasse genannt - von der Kreuzgasse durchschnitten. Die Lagerinsassen befanden sich in allen Gassen und Häusern des Dorfes, mit Ausnahme der Hauptgasse. Diese - in ihr standen die großen und geräumigen Häuser der reichen Bauern - war dem ”Wirtschaftsbetrieb“ vorbehalten. In der Hauptgasse wurde auch die Traktorenstation errichtet. Sie war im Wirtshaus Isele, Haus Schübler und Haus Schlosser Gieß.

Sehr viele Häuser waren auch als Verwaltungsgebäude für das Lager und als Unterkunft für die Wachmannschaften reserviert. Alle Wertgegenstände wie Möbel, Kleider, Wäsche, Geräte u. ä., die von den Plünderungen übrig blieben, wurden ebenfalls in bestimmte Häuser eingelagert. In die noch verbleibenden restlichen Häuser wurden die Menschen dann hineingepfercht und litten unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Der Jareker Mühlenbesitzer Georg Haug, selbst Insasse des Lagers, hat Einzelheiten detailliert geschildert: „Der Anblick des Ortes (Februar/März 1945) war ein Jammer, so auch der Anblick der Menschen. Einfriedungen, Bretterzäune, wie Zaunstützen waren zu dieser Zeit fast alle weg und verbrannt.

In den Zimmern, die im Durchschnitt ca. 5 x 6 m Größe hatten, lagen 15 - 20 und noch mehr Menschen in einem Raum, die wenigsten im Besitz einer Decke. Sie lagen mit den Kleidern in Stroh eingewühlt, so wie es vorher in unseren Schweineställen bei den Schweinen zu sehen war. Fast alle waren schon verlaust und verdreckt, es gab keine Klosetts, weil die Türen und Sitze in diesem strengen Winter schon verbrannt waren. Die Verunreinigung wuchs, weil ja in einem Haus mit 3 Zimmern 40 bis 50 und noch mehr Menschen waren, und die Gefahr für die Gesundheit wurde immer größer.

Die Verpflegung war sehr schwach, gegen Frühjahr (1945) verschlechterte sich die Situation. Wir erhielten in einem Schöpfer ”Bohnensuppe“, in der 2 - 3 Stück Bohnen waren. Schlimmer war das Los derer, die von weit her ins Lager kamen und nicht zur Arbeit gingen. Sie verhungerten im wahrsten Sinne des Wortes, die Leute spürten gar keinen Hunger mehr, sie schleppten sich heraus an die Sonne und schliefen dort in der Nacht für immer ein.

Der Jareker Friedhof lag an der Südseite des Dorfes. Die ersten Toten des Lagers wurden ohne Sarg einfach in die Gruben hineingestoßen. Das ging so weiter, selbst als täglich etwa 8 - 10 oder 12 Menschen starben.

Als aber täglich 30, 40, 50 oder mehr Leute starben, wurden sie in Massengräbern verscharrt.

Auf diese Weise entstanden sechs oder sieben Massengräber mit einer Länge von 60 - 70 m, die vom Totenhaus her unter der letzten Gruftreihe beginnend, in Richtung auf die Häuser liefen.


Zum Lager Jarek die nachfolgenden (qualitativ leider nicht guten) 5 Bilder.

Bild 1 - Reste des ehemaligen Jareker Friedhofs
(im Jahr 1966).

Bild 2 - Das Friedhofsgelände mit den restlichen Grüften
(im Jahr 1966).

Bild 3 - Die Massengräber (von Dezember 1944 bis April 1946
angelegt“), die sich in 7 Reihen an den ehemaligen
Friedhof anschlossen (1966).

Bild 4 - Blick vom Friedhofsgelände auf das Dorf (1966).
(Im Hintergrund befinden sich die Massengräber.)

Bild 5 - Ziegen “tummeln“ sich auf Resten
der zerstörten Gräber (1966).

Die beiden letzten Bilder stammen von Prof. Walter Neuner (a. a. O. S. 75).


Später weideten auf diesem Gelände, das längst zugewachsen war, Kühe, Schweine und Schafe. Heute ist es, zumindest teilweise, bereits überbaut.

Die Lagerinsassen wurden strengstens überwacht. Insgesamt gab es 14 Wachposten, die Tag und Nacht besetzt waren. Sie kontrollierten alle Ein- und Ausgänge. Die Namen der verantwortlichen ”Kommandanten“ sind leider nur teilweise vorhanden.


Sie finden sie anschließend mit einem kurzen Bericht ihrer ”Taten“.
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Namen der Kommandanten des Lagers Jarek

(Quelle: Bundesarchiv Koblenz: Syrmien 1/1)


Dragojlovic, Jana, etwa 1921 in Banostor (Srem) geboren, wird als eine ungezogene und gemeine, sadistische Frau geschildert. Ihre Eltern waren zu gut mit ihr und waren deutschfreundlich. Jana ging 1943 zu den Partisanen, soll aber schon früher Beziehungen zu ihnen gehabt haben. Sie war einige Monate II. Kommandantin des Lagers Jarek. Hier in Jarek bewies sie an unschuldigen Kindern und Frauen ihren teuflischen Sadismus. Mit besonderer Freude ritt sie mit einem Pferd, das einem Lusch aus B. Palanka gehörte, durch das Lager, wo sie spielende Kinder im Lagerhof und ahnungslose Frauen überfiel. Sie zog die Frauen mit Vorliebe an den Haaren und schlug mit einer Reitgerte auf sie ein. Die Kinder mußten bei jeder Witterung auf die Wiese oder an den Grabenrand um Gras zu rupfen, dann ritt sie mit dem Pferd über die Kinder und schlug über ihre Häupter, wo sie nur hintraf. Sie beteiligte sich auch bei dem Malträtieren der deutschen Männer und Frauen im Lagergefängnis. Ihr Ausspruch war jeden Tag, wenn sie die Todesliste überflog: „Es sind noch viel zu wenige gestorben, es müssen nochmals so viele täglich sterben, als wie gestorben sind.“ Die Todeszahl war 50 bis 80 Personen täglich. Jana heiratete einen serbischen Kaufmann aus Temerin. Angeblich soll sie vom Motorrad gestürzt und verstorben sein.

Mehandzija, Mirko, war der IV. Lagerkommandant des Lagers Backi Jarak (Jarek). Als dieses aufgelöst wurde, kam er mit den Lagerinsassen nach Krusevlje (Kruschiwl), wo er dann weiter Lagerkommandant blieb, bis das Lager auch aufgelöst wurde. Mehandzija stammt aus Srem, war grob und brutal. Er ließ wie Jana Frauen in Pferdewagen einspannen und sie mußten dann die schwer beladenen Wagen unter dauernden Prügeln ziehen.

Botic, Mita, wurde 1930 in Pasicevo (Altker) geboren. Beim Einmarsch der Partisanen schloß sie sich denen an, beteiligte sich auch an den Plünderungen in deutschen Häusern. Später kam sie ins Lager nach Backi Jarak, wo sie die Leibesvisitation bei den Lagersträflingen (Frauen) durchführte und diese auch verklagte und schlug.

Botic, Mito, ebenfalls aus Pasicevo, Bruder der Mita, war das Gegenteil von seiner Schwester. Er war ebenfalls 3 bis 4 Monate ”Upravnik“ im Lager Backi Jarak. Mito störte öfters seine Schwester, aber diese hörte nicht auf ihren Bruder.

Djoka (Nachname nicht bekannt), stammt ebenfalls aus Srem. III. Lagerkommandant des Lagers Backi Jarak. Ein grober Mann, aber seine Frau war eine noch schlimmere Bestie als er. Wenn Djoka Lagerinsassen schlug, kam sie ständig und eiferte ihren Mann sowie die Partisanen an, sie mögen noch härter und mehr auf die Deutschen schlagen, „am besten bringt doch alle Deutschen um, dann haben wir wenigstens Ruhe”.

Die geschilderten Grausamkeiten waren an der Tagesordnung. Was das Los der Lagerleute betrifft, sie waren ab dem Zeitpunkt der Einlieferung den Schikanen der Wachmannschaften ausgesetzt, die sich meistens aus jungen und frechen Burschen aus Srem, aber teilweise auch aus den umliegenden serbischen Dörfern zusammensetzte. Sie litten unter einer unvorstellbaren Hungersnot, es gab in deren Folge Typhus, Fleckfieber. Die Läuseplage war unerträglich, die gesundheitlichen Folgen katastrophal. Sie milderte sich erst dann, als Mitte 1945 aus Spenden kommendes DDT-Pulver unter die Leute gebracht wurde. Der Hunger, besonders aber die Tatsache, daß die magere Kost zudem noch salzlos verabreicht wurde, setzte den Leuten arg zu. Die in den ”salzlosen“ Monaten Eingelieferten starben sehr rasch, ”wie die Fliegen“, wird berichtet.

Immer wieder dachten sich auch die Wachmannschaften neue Schikanen und Demütigungen aus.

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Hier einige Berichte von Überlebenden
 
Georg Haug aus Jarek berichtet:


„Unter dem Vorwand, es geht nach Hause, mußten die Leute ihre noch kärglichen vorhandenen Habseligkeiten packen und vor den Häusern damit antreten. Es ging aber nicht nach Hause, es kamen 4 Partisanen mit einem weißen Leintuch und alle mußten ihre Schmucksachen und Wertgegenstände abliefern. Mit den Worten „Trazimo minjuse“ (Wir suchen Ohrringe) mußte alles, was nach Schmuck aussah, sofort abgeliefert werden. Leute, die versuchten, noch in aller Eile etwas zu verstecken, wurden verprügelt. Einer Frau, der es nicht gelang, die Ohrringe aus den Ohren zu nehmen, wurden sie buchstäblich herausgerissen!

Georg Haug berichtet weiter:

„An Ostern 1945 hatten sich die Partisanen eine besondere Demütigung für die inhaftierten Geistlichen ausgesucht: der Temeriner katholische Pfarrer (ich glaube, sein Name war Kopping, Gaspar) der evangelische Pfarrer Klein aus Katsch und der reformierte Pfarrer Weimann aus Schowe wurden ins Gemeindehaus getrieben, wobei man sie mit allerlei grünen Zweigen und Feldblumen “aufgesträußt”, d. h. geschmückt hatte, wie das Vieh beim Almabtrieb. Dort im Gemeindehaus mußten sie die Aborte der ”Uprava“ (Verwaltung) reinigen.

Über das weitere Schicksal des evang. Pfarrers Klein aus Katsch klärt Jacob Schwindt im Heimatbuch Katsch auf: „Unser guter Pfarrer Klein hat in dieser Hölle buchstäblich die Leiden Christi erdulden müssen. Weil er aber nicht abließ von der seelsorgerischen Betreuung seiner Landsleute, wurde er gedemütigt, verspottet, verflucht, geschlagen und schließlich erschlagen. Er ist in des Wortes wahrstem Sinne ein Märtyrer geworden, ein glaubensstarker, rechtschaffener Mann, der keine Feinde hatte.“

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Es folgen jetzt weitere, teilweise gekürzte Erlebnisberichte ehemaliger Insassen des Lagers Jarek.

Diese Berichte sind namentlich gekennzeichnet, alle bestätigen sie bzw. untermauern sie die grausamen Ereignisse in dem Lager von Dezember 1944 bis April 1946.

Die haßerfüllte Einstellung der Partisanen, ihr menschenverachtendes und verbrecherisches Tun und Handeln gipfelte stets in den ironischen Anweisungen: Ihr kommt in das ”Erholungslager Jarek“, dort könnt ihr feiern und euch ausruhen! Es war die ewige Ruhe des Todes gemeint.

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Der Lagerarzt, Dr. Hans Müller,

Gemeindearzt aus Waldneudorf/Budisava, hat das Lager überlebt und berichtet: Die Deutschen aus dem Titeler Bezirk waren die allerersten in Jarek. Das Dorf war leer als wir ankamen. Mit dem Mühlenbesitzer Franz Pichler wurden wir im Wurtz'schen Haus in der Ochsengasse untergebracht. Einige Tage nach uns kamen die Schoweer, Neusatzer, dann die Palankaer und andere. Ganz Jarek war von Partisanen umringt. Niemand durfte den Ort verlassen, nicht einmal auf die Straße durften wir. Vier bis fünf Tage bekamen wir nichts zu essen, dann wurde eine Küche eingerichtet und warmes Essen ausgegeben, das aber nicht zu genießen war. Meistens waren es trockene Erbsen oder Einbrennsuppe. Nach zwei bis drei Monaten gab es ein halbes Jahr nur salzlose Kost.

Die Bulkeser Landsleute wurden erst am 18. April 1945 nach Jarek gebracht. Sie kamen gerade in die salzlose Periode. Diese Leute fielen um wie die Fliegen. Jeden Tag starben zehn bis zwölf Bulkeser. Innerhalb von drei Wochen waren die meisten tot. Jarek hatte vor dem Kriege 2.000 Einwohner. Jetzt waren hier 12.000 bis 14.000 Menschen untergebracht. Bis 14. April 1946 starben 6.536 Menschen. Das weiß ich, weil jeder Verstorbene von mir registriert wurde. Ich hatte das so organisiert, daß bestimmte Leute mir aus jedem Straßenviertel morgens die Namen der Toten meldeten. Die Leute starben an Fleckfieber, das von den Läusen herrührte, an Dystrophie (Ernährungsstörung), Durchfall und Erschöpfung. Die kleinen Kinder hatten aufgedunsene Bäuchlein und konnten nicht aufstehen, denn ihre Beinchen waren aufgequollen.

Ich selbst war an Gehirnentzündung und Fleckfieber erkrankt. Als ich krank lag, gab es in Jarek keinen anderen Arzt. Medikamente hat es keine gegeben. Der aus Temerin stammende Lagerhäftling Öhl - er starb auch im Lager - war Apotheker und wollte den Landsleuten helfen. Wir rösteten weißen Kukurutz (Mais) auf einer Herdplatte, mahlten ihn und füllten das Mehl in kleine Tüten. Es wurde gegen Durchfall verabreicht. Aus verschiedenen Kräutern mixten wir den Sud zu ”Herztropfen”, die ich den Leuten gab. Es war ja nichts, aber die Leute waren froh, wenn sie etwas erhielten, denn in der großen Not halfen auch psychologische Mittel. In Jarek hat es drei Ärzte gegeben. Ihre Praxisräume und das Instrumentarium waren von den ”Befreiern” geplündert worden, desgleichen die Apotheke."

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Ein Landsmann aus Schowe berichtet:

„Bis zum Palmsonntag 1945 blieb die Lage im allgemeinen unverändert. Abwechslung brachten nur die Neueingelieferten, und solche gab es täglich. Knapp vor Ostern, es könnte am Gründonnerstag gewesen sein, kam ein neuer Lagerkommandant. Es war der dritte seit Bestehen des Lagers, es war eine Frau. Ihren richtigen Namen konnte man nie erfahren, man nannte sie nur Jana. Mit dem Erscheinen dieser Sadistin wurde das Jareker Lager mit einem Schlag zur Hölle! Nicht nur die Lagerinsassen verkrochen sich vor ihr, wenn sie mit der Peitsche durch das Lager ritt, auch die Wachmannschaft zitterte, wenn sie irgendwo erschien.

Den Karfreitag leitete sie damit ein, dass den Leuten eine Straßenreinigung befohlen wurde. Sie mussten das Gras mit den Fingern heraus zupfen. Irgendein Gartengerät zu benutzen war strengstens verboten. Die Arbeit mußte innerhalb von zwei Stunden getan sein. Dann ritt Jana, wie immer die Peitsche zückend, durch die Straßen, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass ihr Befehl durchgeführt worden war. Die Zahl der Toten wurde immer größer und an manchen Tagen wurden 100 und mehr weggefahren. Zuerst wurden die Gräber aufgebrochen und die Leichen hineingeworfen. Nun mussten aber Massengräber ausgehoben werden.

Wo am Vortage die letzten Leichen ganz oberflächlich verscharrt worden waren,  grub man am nächsten Tage weiter. Die Toten wurden gänzlich entkleidet, auf einen Wagen geschmissen und auf dem Friedhof abgeladen. Es würde zu weit führen, über alles zu berichten, was diese berüchtigte Lagerkommandantin mit ihrer krankhaften Phantasie ersann, um die Menschen zu quälen, zu foltern, sie nicht nur seelisch, sondern auch physisch zu zermürben mit dem Endziel, sie zu vernichten."

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Ein Landsmann aus Futok berichtet: (Futoker Heimatbuch):

Als wir so gegen fünf Uhr zu den Römerschanzen kamen, wurde uns klar, daß es nur nach Jarek gehen konnte. Ermattet, durch und durch nass, erreichten wir mit Gottes Hilfe so gegen sieben Uhr abends bei stockfinsterer Nacht die Gemeinde Jarek. Die Frauen beteten den ganzen Weg den Rosenkranz. Als wir dort ankamen, war die Gemeinde von den Russen besetzt. So wurden wir in Notunterkünften einquartiert. Gott sei gedankt, dass wir ein trockenes Obdach hatten. Es befanden sich schon damals die deutschen Einwohner der Gemeinden Palanka, Katsch, Temerin, Budisava, Schajkasch-Sentiwan, Tschurug, Wekerle, Obrowatz in Jarek. Drei Tage blieben wir zusammen, dann kam die Trennung der einzelnen Familien. Die Frauen wurden von den Männern getrennt, denn die Partisanen hielten sehr viel auf die Moral (!). Wir waren schon fünf Tage im Lager, aber noch niemand fragte, ob wir auch was zum Essen haben. Wir wussten, dass an den Küchenaufstellungen gearbeitet wurde, und es wurden insgesamt 19 Küchen aufgestellt. Die Lagerinsassen wurden gassenweise zu den einzelnen Küchen zugeteilt. Es fielen ungefähr 500 bis 600 auf eine Küche. Am achten Tage gab es das erste Essen. Es war eine wässrige Kartoffelsuppe ohne Geschmack, mit 20 Deka (200 g) Brot. Die Verpflegung, wie auch die ganze Behandlung war in Jarek eine solche, daß Tausende zugrunde gingen. Als die Kartoffeln bereits verbraucht waren, wurden nur noch Erbsen oder Gerste in das Wasser eingekocht, aber so wenig, dass in den meisten Fällen nur Wasser und das Stücklein Brot verblieb. Infolge dessen hatte auch durch die Unterernährung besonders bei den Alten und Kindern der Tod eine reiche Ernte.

Im Frühjahr 1945 trat eine Knappheit an Brennmaterial ein. So wurde oft zwei bis drei Tage lang nur Rohkost verabreicht: Brot, etwas Mehl, ein paar Tropfen Sonnenblumenöl. Das war die Ration für 24 Stunden. Im Frühjahr 1945 waren im Lager ungefähr 16.000 bis 17.000 Personen.

Im Frühjahr 1945 gab es drei Monate kein Salz, weder für Brot noch für Essen. Diese Zeit war die bitterste in unserem Lagerleben, da es täglich nur eine leere Wassersuppe gab. Im Sommer 1945 erreichte die Sterbezahl im Durchschnitt täglich 35 bis 38 Personen. Die Toten wurden auf Wagen verladen und in den Friedhof gefahren, wo täglich auf “Vorrat” tiefe Gräber ausgegraben wurden. Die Toten wurden hineingeschichtet, dann mit Erde zugedeckt.

Im Frühjahr 1946, in der Karwoche, wurde das gesamte Jareker Lager nach Kruschewlje (Kruschiwl) verlegt."

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”Mein zweites Leben” von Susanna Harfmann:

Ich war mit einer Tochter Lieschen und mit meinem Sohn Philipp von Anfang an im Lager Jarek. Der Verschleppung nach Rußland bin ich nur deshalb entgangen, weil ich schwanger war. Am 6. Mai 1945 habe ich dann auch in Jarek einen Sohn geboren. Als er drei Monate alt war, bekam ich Malaria. Von da an ging es auch mit der Gesundheit des Kindes abwärts. Vom bloßen Maismehl kann man auch kein Kind großziehen. Am 27. November 1945 ist dann das Kind an Unterernährung gestorben.

Kurz bevor wir nach Kruschiwel verlegt wurden (April 1946), haben wir vier Frauen, die wir in einem Zimmer zusammen waren, beschlossen, betteln zu gehen. In der Früh um vier Uhr, als es noch dunkel war, machten wir uns auf den Weg nach Temerin. Wir waren zwei Frauen von Palanka sowie Elisabeth Jung, geb. Jakob (Danis) und ich. Auf dem Rückweg begann es zu regnen. Die Erde fing an, an meinem Schuhwerk zu kleben und hängen zu bleiben. Ich mußte immer öfter anhalten, die Schuhe ausziehen und den Lehm abstreifen. So hatte ich bald die drei anderen verloren. Während des Heimweges hörte ich des Öfteren Gewehrschüsse. Dies war alltäglich, man dachte sich nichts mehr dabei.

Am nächsten Tag kamen zwei Partisanen und durchsuchten die Häuser, um festzustellen. ob jemand fehlte. Meine drei Zimmergenossinnen waren noch nicht eingetroffen. Ich mußte mit den Partisanen gehen. Nur 50 m von Jarek weg lagen drei Frauen, erschossen von Maschinengewehren. Es waren meine drei Zimmergenossinnen. Zwei von Palanka und Elisabeth Jung, geb. Jakob (Danis). Sie waren von Gewehrsalven durchsiebt. Neben jeder lag noch ein Bündel mit erbetteltem Essen, das sie für sich, insbesondere aber für ihre unterernährten Kinder, besorgt hatten."

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Der Landwirt Jakob Pleesz

aus Sajkaski Sveti Ivan, Bezirk Titel, gab folgende Aussagen zu Protokoll (Auszug): „Die Verpflegung war im Lager völlig unzureichend und schlecht. Es gab lediglich geschmacklose Wassersuppe ohne Fett und vielfach ohne Salz. Fleisch gab es auch keines. Die Kranken wurden anfangs von den übrigen Lagerinsassen abgesondert, erhielten aber keine Sonderverpflegung, noch wurden sie besser behandelt. Sie lagen genauso wie wir auf etwas Stroh auf dem Fußboden.

Wir hatten zwei Ärzte, die ebenfalls interniert waren. Der eine konnte sich selbst nicht helfen und ist binnen kurzer Zeit gestorben. Der andere, Dr. Müller aus Budisava, gab sich zwar Mühe, konnte aber nicht viel erreichen, da keine Medikamente vorhanden waren. Wir hatten sehr viel Ungeziefer, hauptsächlich Läuse. Im Mai 1945 brach im Lager Typhus aus. Alle waren furchtbar unterernährt und völlig herabgekommen. Täglich sind in dieser Zeit 40 bis 45, einmal sogar 53 Personen gestorben. Sie wurden in Massengräber auf dem Friedhof ohne Beisein der Angehörigen und ohne Priester eingescharrt. Ich war damals vier Monate hindurch Totengräber. In einem Massengrab, 2 m breit und 2 m tief, hatten wir 500 bis 700 Tote in vier bis fünf Schichten aufeinandergelegt. Den Friedhof durften nur die Totengräber betreten. Es gab insgesamt 16 Totengräber. Zwölf Männer, darunter auch ich, hatten morgens die Gräber ausgehoben und abends zugedeckt. Vier Totengräber führten die Toten aus dem Lager auf den Friedhof, entkleideten sie und schichteten sie in die ausgehobenen Gräber. Die Toten wurden auf Befehl der Partisanen nackt beerdigt; die Kleider mußten von den Totengräbern in einem Magazin abgegeben werden. Insgesamt sind vom 3.12.1944 bis zur Auflösung des Lager am 17.4.1946 rund 9.300 Personen (*)gestorben. Diese Zahl wurde mir von meinem Dorfgenossen, Jakob Heumel, Maurermeister, der während der ganzen Zeit als Totengräber tätig war, mitgeteilt. Das Lager in Backi Jarak, das wegen seiner hohen Zahl an Toten auch „Sterbelager" oder „Vernichtungslager" genannt wurde, ist am 17.4.1946 aufgelöst worden. Die Lagerinsassen wurden auf die großen Konzentrationslager Krusevlje und Gakovo, Kreis Sombor, verteilt."

(*) Die richtige Zahl ist: ca. 6.300. Möglicherweise handelt es sich bei der im Bericht         aufgeführten Zahl um einen Abschreibfehler bei der Übertragung seiner ersten         handschriftlichen Fassung.

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Katharina Haller aus Neu- Schowe, (Nove Sove), Bezirk Neusatz (Novi Sad)
berichtet über ihr Lagerleben in Jarek (Auszüge):

Überall wo man hinsah, sah man bis zum Skelett abgemagerte Menschen, die einander ablausten. Sie lagen bei vollem Bewußtsein oder auch ohne Bewußtsein im Stroh und warteten auf den Tod. Der größte Teil war voll Wunden am ganzen Körper. Die Kinder hatten schrecklich dicke Köpfe und große Bäuche, und jedes einzelne Glied konnte man an ihnen Zählen. Wo man hinsah, sah man unschuldige Menschen sterben. Die einen schlummerten und schliefen ein für immer, die anderen kämpften unerbittlich im Todeskampf. Und keiner konnte dem anderen helfen, da ein jeder hilflos war und um die Erhaltung seines Lebens täglich und stündlich kämpfen mußte. Jeder hatte nur ein Ziel, aus diesem schrecklichen Todeslager noch einmal lebend herauszukommen. Ich konnte im Lager Jarek nicht arbeiten gehen, da ich krank war. Auch diejenigen, die noch gesund waren, wollten nicht auf die Arbeit gehen, weil sie dieselbe Kost bekamen wie jene, die nicht zur Arbeit gingen. Daraufhin kamen die Partisanen und holten wahllos die Leute zur Arbeit, auch alte Leute und Kinder. Meine 76-jährige Großmutter nahmen sie auch zur Arbeit. Da die Kost sehr schwach war und die Leute bei größter Hitze oder Kälte, bei Schnee und Regen arbeiten mußten und nichts zum Anziehen hatten als ihre alten Lumpen, mußten sie zugrunde gehen.

In der Hitze fielen sie in Ohnmacht vor Schwäche oder bekamen einen Sonnenstich; dabei durfte ihnen niemand helfen. Sie mußten liegen bleiben, bis die anderen heimgingen und sie dann mitnahmen.

Die im Regen arbeiteten, wurden nachher krank. Der größte Teil bekam Lungenentzündung, Grippe, Influenza, Rheuma, Ischias etc., erfrorene Hände und Füße.

Am Schlimmsten waren Typhus und Ruhr."

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Das Lager mit den Augen eines Kindes,


Bericht von Frau Agathe Dorth-Prochaska:

„Man hörte, es gehe nach Jarek, was das bedeuten sollte wußten wir ja nicht. Alle Arbeitsunfähigen, Alte und Kinder kamen nach Jarek, aber das haben wir erst später erfahren. Es war noch dunkel, als wir in Jarek ankamen. Dort wurden wir in Häuser eingeteilt. Jarek war ein leeres Dorf, ohne Möbel, ohne Vieh, keine Katze, kein Hund, nur Internierte. Sogar der Brunnen im Hof war eingetrocknet, jemand hatte große Steine hineingeworfen bis oben hin.

Wir kamen in ein Haus in der Spitalgasse. Es war das erste Haus von zwei gleichen Häusern nebeneinander (es waren die Häuser von Franz Greuling und Philipp Stroh). Wir kamen in eines der Gassenzimmer. Wir teilten das Zimmer mit 10 anderen Kindern.

Unser Heim für die nächsten Monate war das Zimmer. In der Mitte wurde das Zimmer mit einem Pfad geteilt. An beiden Seiten des Weges war eine zwei bis drei Ziegel hohe Mauer, welche das Stroh vom Pfad zurück hielt. Auf das Stroh kamen unsere paar armen Bettsachen, unser Bündel Kleider als Kissen.
Die Küche war in einem Haus, ein paar Häuser weiter in derselben Gasse, so daß wir nicht weit zu gehen hatten, um unser Essen zu holen. So war unser Essen oft noch warm, als wir es zu Essen bekamen. Mit einem Geschirr gingen wir zur Küche und holten das Essen für die ganze Familie. Dreimal am Tage bekamen wir zu essen. Das Frühstück bestand aus Maisschrot in Wasser gekocht, mittags gab es meistens eine Suppe, oft war es Erbsensuppe mit schwarzen Käfern darinnen und Maisbrot, das so rauh war, daß es einem den Mund rauh gemacht hat. Keiner durfte auf die Gasse, nur dreimal am Tage, wenn die Kirchenglocken geläutet wurden und das Essen ausgeteilt wurde.

Mittags, wenn das Essen ausgeteilt wurde, kam auch der Totenwagen, von einem Pferd gezogen, mitten auf der Straße. Rechts und links der Straße kamen die Leute mit ihren Toten, die in den letzten 24 Stunden gestorben waren. Die Toten wurden aufeinander auf den Wagen geworfen, mancher Mund weit offen, Augen auf, Arme oder Beine auf und ab baumelnd, als der Wagen die Straße entlangfuhr, bis auf den Friedhof, wo sie in ein Massengrab kamen. Mancher Tote wurde noch in das letzte Leintuch genäht, die letzte Ehre einem geliebten Toten.

Auch der Tod ist in unserem kleinen Zimmer nicht fern geblieben. Der Erste, den der Tod aus unserer Mitte nahm, Dieter, Tante Christel Dorths Kind, das noch ein Baby war, er mußte am Tage gestorben sein. Zwei kleine Steinchen kamen auf die Augen, daß sie nicht aufblieben, dann wurde er in Tuch genäht, über Nacht kam er in die Speisekammer, so daß er nicht mit uns im selben Zimmer war.

Urgroßmutter Becker, die Großmutter meines Vaters, kam jetzt zu uns ins Zimmer, sie war krank, ihre Schwester war auch schon gestorben. Sie hatte auch Durchfall und konnte nicht mehr stehen, den ganzen Tag hat sie geschlafen. Sie wurde immer schwächer, und wurde in den Pferdestall gelegt, wo die schwer Kranken hinkamen, so daß sie nicht bei uns im Zimmer starb. Eines Tages, als ich sie besuchte, sagte sie sehr leise, so daß ich sie kaum verstehen konnte: „Mein Kind, die Hunde beißen an meinen Beinen.” Als ich die Decke hoch nahm, um zu sehen, sah ich daß die Ratten an ihren Zehen gefressen hatten, die arme alte Frau war noch nicht einmal tot.

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Diese Aussagen, die die Überlebenden zu Protokoll gegeben haben und die sich in ihren schrecklichen Einzelheiten decken, sprechen für sich eine deutliche Sprache. Sie könnten noch um weitere Berichte ergänzt werden, denn es gibt noch Überlebende, die durch diese Hölle gegangen sind und mit dem Leben davonkamen.


Alle Berichte, Zeugenaussagen klagen an. Ein verbrecherisches Regime, vertreten durch rachedurstige, unreife, junge Partisanen, die nie in ihrem Leben gegen die Deutschen, Tschetnicks oder Ustascha gekämpft haben, die in Uniform sich aber jetzt zu “Heldentaten” an wehrlosen alten Menschen und Kindern gegenseitig hochschaukelten, steht auf der Anklagebank.

Doch die Opfer und ihre Angehörigen sind sich bewußt, daß die Justiz zwar die Täter greifen wird, bzw. bereits verurteilt hat, die sich auf deutscher Seite an den scheußlichen Kriegsverbrechen beteiligt haben.

Nach Jugoslawien - nach heutiger Sicht - nach Serbien und in die Vojvodina reicht der Arm des Gesetzes noch nicht. Viele - leider sind es noch viel zu wenige - kennen die Tragödie um das Lager Jarek. Es wird verglichen mit dem Ort, der als Symbol für die NS-Greueltaten in die Geschichte dieses Jahrhunderts eingegangen ist, mit Dachau.

Ein jüdischer Arzt aus Neusatz, der selbst volle vier Jahre in dem deutschen Konzentrationslager Dachau verbrachte und das Lager Jarek im Winter 1945/46 besichtigt hat, sagte von ihm, „daß es das Furchtbarste sei, was je mit Menschen getan wurde.”(*)


Als Schlußwort dieser Berichterstattung - auch zum Nachdenken und als Mahnung gedacht - setzen die Verfasser das Wort einer Sekitscher Landsmännin:

„Wir Donauschwaben sind den Juden gleich, schmerzensreich. Jedoch ihr Sterben kennt die Welt, niemand unsere Toten zählt!”


(Quelle: 25. Juni 1992 ORTSAUSSCHUSS JAREK
  
              Michael Schmidt Gustav Morgenthaler)

(*) ( aus: ”Ein Volk ausgelöscht”, von Leopold Rohrbacher,
                  Schilderung ihrer Taten)

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Hier folgen nun einige Berichte in ganzer Länge


Meine lieben Jareker Landsleute!

Ich bin der Aufforderung, einen Bericht über die Tage und Monate zu schreiben, die ich nach der allgemeinen Flucht am 7. und 8. Oktober 1944 noch in unserem schönen Jarek verbrachte, sehr gerne nachgekommen. Denn ich bin einer der wenigen Überlebenden, die den tragischen Untergang unseres Dorfes miterlebten. Ich will nun versuchen, meine unliebsamen und die wenigen angenehmen Erinnerungen so zu schildern, wie ich sie noch nach 14 Jahren in Erinnerung habe.”

Georg Haug,
gew. Mühlenbesitzer in Jarek

Mein erstes unliebsames Erlebnis hatte ich noch am ersten Fluchttag, am 7. Oktober 1944. Ich bekam von Michael Wack jun. für die Flucht einen Traktor mit einem Wagen, der aus einem Elevator zusammengestellt war. Auf diesem sollte der Brennstoff und das Schmieröl für die Traktoren transportiert werden. Schon nach den ersten 50 m brach die Achse des Wagens, und wir saßen fest. Bis der Schaden repariert war, wurde es Nacht, und da ich nicht in die Nacht hineinfahren wollte, beschloß ich, meine Abfahrt auf den nächsten Morgen zu verschieben. Unter großen Schwierigkeiten, die ich hier nicht näher beschreiben will, kam diese Abfahrt zustande. Ich kam bis Futog. Dort konnte ich im Hause meines Freundes Franz Schaab Quartier finden. Diese kurze Strecke, kaum 30 km, hatte auf mich sehr ernüchternd gewirkt. Ich sah wie es weitergehen würde. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass ich diese unsinnigen Strapazen nicht mitmachen möchte. Ich wollte zurück in die Heimat, zurück in unser Jarek.

Nachdem noch in Futog die Pferde beschlagen worden waren, fuhr ich am 13. Oktober 1944 zur Erkundung der Lage mit zwei Personen nach Jarek zurück. Bei unserer Rückfahrt war die internationale Straße mit Militärfahrzeugen verstopft. Wir mussten fünfmal anhalten, da man uns die Pferde wegnehmen wollte. Ich kam aber ungeschoren durch, denn ich hatte von einem ungarischen Grenzjägerkommando eine Bescheinigung, dass ich in dessen Diensten stehe.

Als wir von der kleinen Schanze her nach Jarek kamen, hat es bereits so ausgesehen, wie bei einem Jahrmarkt in Temerin: Aus allen Häusern wurde Vieh und Geflügel weggetrieben, quer über die Grundlöcher, die Herrschaftsfelder, den Arraß Weg und durch die Weingärten. Die einquartierten deutschen Soldaten störte dieses Treiben nicht, im Gegenteil, sie beteiligten sich selbst daran, indem sie ungarischen Mädchen neue Kleider, Bettwäsche und Einrichtungsgegenstände schenkten, um sie für ihre unbeschreiblichen sexuellen Orgien gefügig zu machen.

In meiner Wohnung war fast noch alles in Ordnung. Nur die Lebensmittel waren geplündert, und 28 Stück Mastschweine waren von deutschem Militär auf LKWs abtransportiert worden. Im Haus und in der Mühle waren die Büros durchwühlt, Kassen und Schubladen aufgebrochen. Der Tresor der J. V.A.G. war weggeschleppt, und etwa 70 kg Lagermetall fehlte, was mir später zum Verhängnis werden sollte.

Hier will ich noch den Empfang erwähnen, der mir bei unserer Rückkehr von einem Teil der Serben zuteil wurde. Als wir zwei Tage später mit 23 Personen, deren Schicksal von nun an eng mit dem meinen verbunden war, von der internationalen Straße auf die Jareker - Temeriner Straße wechselten, kam der Cveto Rakic, Cenej, und empfing mich mit einer Umarmung und den Worten. Hast Du doch Verstand gehabt! Wer wird Dir hier schon etwas tun?" Ich sagte ihm: Bei einem Umsturz kann sehr schnell etwas passieren", worauf er antwortete: Was soll schon passieren? Wir, ganz Cenej, werden dich beschützen." Solange Ihr könnt", bemerkte ich, und ich sah zum ersten Mal, dass auch unsere serbischen Nachbarn vor etwas Ungewissem Angst hatten. Sta ce biti snama?" (Was wird mit uns?), war ihre Frage in diesen Tagen.

Die Plünderungen nahmen ein unbeschreibliches Ausmaß an. Von der Bahnstrecke bis an die Ecke von Bohland bewegte sich ein nicht enden wollender Strom von Plünderern aus Temerin. Sie kamen auf der Sommerstraße und der befestigten Landstraße in je einer Reihe herein, und auf der anderen Seite fuhren sie in Doppelreihen wieder zurück. Sämaschinen, Maissetzer, Möbel und Früchte - alles ging in Richtung Temerin, wobei Sämaschinen und Maissetzer für diejenigen, die keinen Wagen hatten als Fahrzeug dienten.

Ich selbst sah drei Männer, die ein 400 Liter Fass voll mit Wein nach Temerin rollten. (Meine Tochter machte von diesem Treiben sehr eindrucksvolle Bilder, die mit aller Anschaulichkeit die Tragödie geschildert hätten, die sich in unserem Dorfe abspielte. Wer das nicht gesehen hat, kann es sich nicht vorstellen. Leider kam bei einem nächtlichen Überfall der Russen und Dobrovoljcen der Fotoapparat abhanden.) Es kamen auch einige sehr gute Bauern, um sich - wenn schon nichts anderes - wenigstens einen Wagen voll Weizen oder Sonnenblumen zu holen, die ja meistens als Saatgut oder zur Ablieferung in Säcken bereit standen. Diese Plünderungen wurden von einem Ungarn, Biro Janos, "Hitler-Vasar" (Hitler-Markt) getauft. Dieser Name blieb erhalten und lebt wahrscheinlich im ungarischen Volksmund auch heute noch weiter. Von der Katscher, Neusatzer, Cenejer Seite aus wurde nicht der zehnte Teil dessen geplündert.

Ich erfuhr, dass von dem deutschen Divisionskommandanten geplant war, die Hanftristen an der Hanffabrik anzuzünden, damit man für eventuelle Kampfmaßnahmen freie Sicht habe. Hiergegen wollte ich bei diesem Kommandanten, der sich im Hause von Johann Lenhardt (Haus 141) befand, intervenieren, konnte aber kein persönliches Gespräch mit ihm erreichen. Nicht einmal bis zum Adjutanten konnte ich vordringen, da dieser mit einer liederlichen Frauensperson von Zimmer zu Zimmer spazierte und für mein Anliegen keine Zeit hatte. Stattdessen leistete mir ein Leutnant Gesellschaft, dem ich mehrmals, immer ohne Erfolg, meine Wünsche ans Herz legte.

In der Nacht vom 22. auf 23. Oktober 1944 verschwanden die letzten deutschen Truppen sang- und klanglos aus Jarek. Jetzt kam die unheimlichste Zeit. Die vertraute Ruhe im Dorf fehlte, und die Zurückgebliebenen fingen an sich zu sammeln. Einige Salaschknechte kamen ins Dorf und bezogen die Häuser ihrer Herren. Da es schon genug Wein gab, konnte man sie jeden Tag betrunken sehen.

Am Montag, den 23. Oktober 1944, beobachtete ich aus dem Hause Mathias Morgenthalers, meines Schwagers den Abtransport von Möbeln aus dem Hause Jakob Morgenthaler, Nr. 97. Unter dem Kommando des dorthin gehörenden Knechtes Matyi, der auch die ganze Wassergasse ausstahl, fuhren elf oder dreizehn- ich bin beim Zählen irregeworden - Ordonanzwagen aus Temerin voll bepackt mit Möbeln weg. Matyi gehörte zur Nationalgarde und hatte ein Gewehr. Außerdem waren zwei bewaffnete Polizisten aus Temerin dabei. Plötzlich erklang aus etwa 20 m Entfernung ein Schrei: Ruke gore!" (Hände hoch!) Und die beiden Polizisten streckten die Hände hoch und übergaben ihre guten Waffen an zwei serbische Burschen, die bloß ein altes, verrostetes Gewehr hatten. Dem stolzen ungarischen Polizisten Uracs wurde die Uniform vom Leibe gerissen. Die jungen Burschen nahmen die drei Gewehre an sich, zogen die Uniform an und gaben ihre eigenen Fetzen dem Polizisten. Es war eine Situation, die einer gewissen traurigen Komik nicht entbehrte. Das Erscheinen der beiden Burschen - es waren Djoko Pervac und ein Schäfersohn Miodragovic, ich kannte beide - hatte zur Folge, dass endlich die organisierten und unorganisierten Plünderungen aus Temerin aufhörten. Jönnek a partizanok!" (Die Partisanen kommen!) war ein Schreckensruf für die beim Plündern sonst so tapferen Ungarn. Am zweiten Tage darauf kamen etwa zehn solcher Partisanen, auch Dugan Rakic sein Enkel war dabei. Er war der Kommandant dieser Bande, benahm sich aber als Kommandant tadellos.

Bald kamen einige Katscher Bauern, wie zum Beispiel Stenj und Laza Dobanovacki, also schon ältere und wohlhabende Landwirte, um die Ruhe und Ordnung im Dorfe aufrecht zu erhalten. Es ist fast unglaublich, dass auch sie an der Misshandlung der evangelischen Pfarrer Elicker aus Bulkes, Klein aus Katsch und Neumann aus Schowe maßgeblich beteiligt waren. Die Pfarrer mussten z.B. an Ostern in der Gemeinde die Aborte reinigen. Bei Männern dieses Alters muss man solche Befehle als bewusste Schikane und die späteren Misshandlungen als Auswirkungen einer sadistischen Veranlagung ansprechen, bei jungen Burschen hätte es unüberlegte Grausamkeit sein können.

Später kam auch ein "Wirtschaftsdirektor", der das Wirtschaftsleben wieder ankurbeln sollte. Es war ein Katscher Serbe, der Maurer gelernt hatte, aber nie Geselle wurde und bei Radenko Pec als Knecht diente. Es entstand eine Art "Volkswirtschaftliche Gemeinschaft", die sich aber nur auf Jarek und den Jareker Hotter erstreckte. Für den Neusatzer Hotter bestand eine ähnliche Institution mit dem Sitz im Lenhardtschen Haus (Altheim). Nach einigen Tagen ging ich auch mit der Mühle wieder in Betrieb. Facharbeiter waren da, aber es dauerte nicht lange, so wurde mir ein Kommissar vor die Nase gesetzt, und ich wurde immer mehr auf die Seite geschoben.

Jetzt kamen auch ab und zu russische Truppen ins Dorf. Ich muss hier feststellen, dass sie sich stets korrekt benommen haben. Wenn sie durchs Dorf zogen, fragten sie immer: Wo geht’s nach Berlin?" und Wie weit ist es noch bis Berlin?", Fragen, die mit der Zeit komisch klangen, vor allem deshalb, weil die Russen mit ihren hinkenden Ochsen Berlin in etwa 20 bis 30 km Entfernung glaubten.

Eines Tages wurde angezeigt, dass ich auch weg war und wieder zurückgekommen war, dass ich die Treibriemen der Mühle versteckt hatte usw.: mit einem Wort, ich sei ein Saboteur. Die Partisanen gaben die Anzeige an den russischen Geheimdienst weiter, der in der Spitalgasse (Haus von Renner Juri) seine Dienststelle hatte. Ich wurde einem sehr peinlichen Verhör unterworfen, das aber letzten Endes gut für mich ausging. Die Partisanen waren sehr erstaunt, als ich wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

Nun wurde ich von den Partisanen ein zweites Mal verhört und beschuldigt, in der Mühle Sabotage betrieben zu haben. Am großen Schwungrad war ein Hauptlager aus geschmolzen, woran nach ihrer Auffassung natürlich ich die Schuld hatte. Als sie mir so nichts anhaben konnten, suchten sie einen anderen Vorwand: ich hätte mich geweigert, meinen Radioapparat herauszugeben. Ich bekam Schläge mit dem Gewehrkolben und musste mit aufs Gemeindehaus. In meinem Haus nahmen sie sich dann, was sie wollten, Kleiderstoffe und Kleider, auch das Sielengeschirr, da es auf dem Boden war, galt es als versteckt. Das war wieder ein Grund mehr, mich zu verhören. Der Partisanenkommandant nahm mich ins Nebenzimmer und sagte, es täte ihm leid, dass mir so übel mitgespielt werde, aber es läge eine Anzeige vor, und er müsste mich zum Verhör nach Temerin schicken. Ich wurde mit meinem Maschinisten, der der Saboteur war und mich denunziert hatte nach Temerin gebracht, wo ich von einem jungen Slowaken in Empfang genommen und verprügelt wurde.

Mein Maschinist wurde zwar auch eingesperrt aber nicht geschlagen. Im Arrest war ich mit elf Ungarn zusammen. Die Schläge wiederholten sich so lange, bis ich vor Verzweiflung und um allem ein Ende zu machen dem Burschen einen solchen Schlag versetzte, dass er wegtaumelte. Zu meinem Glück schrie der Kommandant, der gerade vom Ortskommandanten kam, draußen auf dem Korridor seine Leute an, so dass mein Peiniger sich ganz still verhielt. Als der Kommandant in seinem Zimmer verschwunden war, ging auch er und raunte mir nur noch drohend zu tekaj, nadjemo se joA!” Bei einer förmlichen Gerichtsverhandlung - allerdings bekam ich keinen Verteidiger - wurde ich freigesprochen, wohl weil ich sagen konnte, dass ich für den Fall, dass ein Lager aus schmelzen sollte, immer Lagermetall im Haus gehabt hätte, dass es aber verschwunden war, als ich wieder zurückkam. So wurde ich mit einer Ohrfeige und den Worten: Gledaj, da se gubig!" (Schau, dass du wegkommst!) entlassen. Ich war knapp dem Tode entronnen und kam von Schlägen und Hieben schwer gezeichnet zu Hause an.

Es kam der 25. November 1944, an dem mir mit den Worten "Wollen Sie lesen' vom Mühlenkommissar die "Politika" überreicht wurde. Die Zeitung enthielt einen Bericht über die berüchtigte Sitzung des Nationalkommitees in Jajce und das "'14 Punkte-Programm", das sich für uns Schwaben so grausam auswirkte. Die Enteignung und die Vertreibung von Haus und Hof begannen. Jarek wurde als ein verlassener Ort zum Lager gemacht, und schon am 3. Dezember wurden die Deutschen aus Budisawa eingeliefert und in der unteren Ochsengasse einquartiert.

Es kam ein Befehl, dass auch alle Jareker ins Lager sollten. Ich wehrte mich dagegen, so gut ich konnte, aber es half nichts, obwohl ich auch bei den Dobrovoljcen Verbündete hatte. Am 4. Dezember 1944 wurden wir abgeholt, angeblich nur für drei Tage zu einem Verhör. 50 Personen wurden nach Altker gefahren, fünf davon, darunter auch ich, wurden von dort nach Neusatz getrieben, wo wir in ein Arbeitslager kamen. Im Januar 1945 wurde ich wegen Arbeitsunfähigkeit wieder nach Jarek entlassen. Die anderen Jareker waren seit Ende Dezember ebenfalls wieder zurück. Wir wurden beim Klemens Michael (Schustermichl, in der Ochsengasse das Eckhaus) einquartiert, und waren nun Gefangene in einem Vernichtungslager, das mit etwa 14 Tage- und Nachtposten umstellt war. In der Hauptgasse waren keine Lagerinsassen, sie diente der Wirtschaft. Im übrigen Ort waren etwa 15 000 Menschen untergebracht. (Jarek hatte rund 2000 Einwohner.)

Im Dorf sah es trostlos aus. Die Strohtristen waren umgefallen, weil sie unterhöhlt waren. Zäune und Tschardacks waren abgerissen und als Brennholz benützt worden. Überhaupt wurde alles Brennbare, sogar die Aborttüren, abgerissen und verbrannt. Ich sah in dieser Zeit ein, dass man nur überleben konnte, wenn man Arbeit hatte und bot mich dem Direktor Branko, der ein gewichtiges Wort zu sagen hatte, als Arbeiter an. Nun bekam ich einen Passierschein und durfte täglich einmal von der Ochsengasse zur Hanffabrik und wieder zurückgehen. Später arbeitete ich in den Weingärten und schnitt in der Hauptgasse die Liguster.

In der Hauptgasse wurde eine sogenannte Traktor-Station errichtet. Sämtliche Traktoren, die noch vorhanden waren, Sämaschinen, Mähmaschinen, Maissetzer usw. wurden im Gasthaus lsele, im Haus von Schübler- Wagner und Gieß-Schlosser untergebracht. Dort war auch die Schlosserwerkstätte. Das neue Magazin an der Bahn hatte man abgerissen und bei den genannten Häusern als Maschinenhalle wieder aufgebaut.

An manchen Tagen waren in den Weingärten 400 bis 500 Personen mit allen möglichen Arbeiten beschäftigt. Fünf von mir benannte Lagerleute überwachten die Arbeiter. Da man nur auf diese Weise für seine Angehörigen einige Nahrungsmittel beschaffen konnte, gingen die Leute gern zur Arbeit. Es war zwar bei schwerer Strafe verboten, etwas mit nach Hause zu nehmen, aber so manche Mutter nahm diese Gefahr und die Strafe auf sich, um ihre Kinder nicht verhungern zu lassen.

Nachdem das Lagermetall wieder herbeigeschafft worden war, ging auch meine Mühle aufs Neue in Betrieb. Da das Brennholz zur Neige ging, fällte man zuerst die Akazien im. Füllenstand, danach die Bäume auf den Salaschen, an der Katscher Straße und endlich die an der Hutweide und am Viehtrieb. Als Leiter der Mühle fungierten damals mein Maschinist und der Obermüller. Beide hatten diese Stellung bis 1957. In dieser Zeit gelang es ihnen, mehr als eine Million Dinar zu unterschlagen, wofür sie zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt wurden. Dies wurde mir bekannt, als ich schon angefangen hatte, diese Zeilen zu schreiben.

Ich will jetzt noch kurz von einer der üblichen Methoden der dortigen Gesetzeshüter berichten. Am Palmsonntag 1945 waren wir wie immer in Fünfer-Reihen vom Gemeindehaus bis zum. Friedhof angetreten. Von dort wurden wir zur Arbeit eingeteilt. Nun hieß es plötzlich, nur die Ungarn gehen zur Arbeit. (Im Lager waren auch etwa 3.000 Ungarn aus Zabalj, Csurug und Mosorin. Sie waren hingebracht worden, weil die Serben angezeigt hatten, dass sie bei den Razzien der ungarischen Behörden mit diesen zusammengearbeitet hatten.) Die Deutschen erhielten den Befehl, ihr ganzes Gepäck zu holen, sie würden nach Hause entlassen. Mir stiegen bei dieser Nachricht gleich starke Zweifel auf, aber die meisten glaubten, es sei nun endlich soweit, denn das Gerücht war schon öfter aufgekommen. Als die Leute mit ihrem Gepäck - es waren ja nur noch einige Bündel - angetreten waren, wurden ihnen sämtliche Wertgegenstände, die sie bis jetzt durchgeschmuggelt hatten, abgenommen. Vier Partisanen standen mit einem Leintuchbereit, dort musste alles hineingeworfen werden. Drei andere Partisanen führten die Untersuchung durch, dabei nahmen sie sogar bei Frauen Leibesvisitationen vor. Die Goldgier der Partisanen ging so weit, dass man einer Frau die Ohrringe, die sich nicht mehr öffnen ließen, buchstäblich aus den Ohren riss, das habe ich selbst gesehen.

Da Jarek ein ”Vernichtungslager” war, noch einige Worte zu unserem Friedhof. Als ich im Januar 1945 nach Jarek zurückkam, waren die meisten Grüfte von den Totengräbern schon geöffnet und mit fremden Leichen voll gestopft worden. Für die Totengräber, auch Deutsche aus dem Lager, die zu dieser Arbeit bestimmt worden waren, war dies die einfachste Bestattungsmöglichkeit. Die Toten wurden ohne Sarg einfach in die Grüfte hineingestoßen. Dies klingt für einen, der es nicht gesehen hat, unglaublich, wenn man aber weiß, dass jeden Mittag nach zwölf Uhr auf einem Totenwagen acht, zehn und sogar zwölf und mehr Tote wie Garben oder Büschel von Maislaub hinausgefahren wurden, dann kann man es verstehen. Nachdem alle Grüfte voll waren, wurden die Leute einfach zwischen den Gräbern verscharrt.

Als aber täglich 30, 40, 50 und mehr Leute starben, wurden sie in Massengräbern beerdigt. In einer zwei Meter tiefen und zwei Meter breiten Grube wurden drei bis vier Tote nebeneinandergelegt und die anderen darüber aufgeschichtet. War die Grube voll, dann wurde daneben drei Meter tief ausgegraben, und diese Erde bedeckte  die Toten. Meines Wissens entstanden auf diese Weise sechs oder sieben Massengräber mit einer Länge von 60 bis 70 Metern, die vom Totenhaus her unter der letzten Gruftreihe beginnend in Richtung auf die Häuser zu verliefen. Ich habe dies selbst zum zweiten Male gesehen, als meine Schwiegermutter am 22. November 1945 dort im Lager an Fleckfieber starb. Am nächsten Tag wurde sie auf die beschriebene Weise verscharrt. Ich stahl mich heimlich hinaus und versuchte vom Hotter und den Weingärten her wenigstens ungefähr den Platz festzustellen, an dem die Totengräber sie begruben.

Ende August 1946, als das Lager schon aufgelöst war, standen auf dem Friedhof noch insgesamt acht Grabsteine. Im Übrigen wurde unser einst so schöner und gepflegter Friedhof zu jener Zeit als Weideplatz für Vieh und Schweine benützt.

Dass unsere Kirche ebenfalls zerstört wurde, dürfte jedem Jareker bekannt sein. Das Material aus dem Abbruch wurde in anderer Weise wieder verwendet. Dr. Dreier, ein jüdischer Arzt aus Temerin, war seinerzeit Gemeindearzt. Er ließ die zur Hälfte demolierte Kirche reinigen und abschließen. So stand sie  bis sie 1947/48 ganz abgebrochen wurde.

Am 25. April 1947 war ich zum letzten Male in Jarek. Ich stellte fest, dass vier Häuser im Neudorf und einige an anderen Plätzen vollständig demoliert waren. 80 % der übrigen Häuser waren zur Hälfte oder zum überwiegenden Teil zerstört oder beschädigt. Es war für mich furchtbar, durch den Ort zu gehen, durch unser früher so schönes Jarek, das aufgehört hatte zu bestehen. Es war, als ob man einen lieben Menschen durch einen Unfall verliert und nur die furchtbaren Verstümmelungen in Erinnerung behält. Ihr alle, die ihr dies nicht gesehen habt, behaltet Jarek in Erinnerung wie einen friedlich mit lächelndem Antlitz entschlafenen Toten.

Georg Haug,
früher Jarek


(Quelle: Nachdruck des Heimatbuches Backi Jarak-Jarek (1937)
               mit Anhang, erschienen 1958,
               unter Leitung von  Lehrer Wilhelm Heinz und seinen ehemigen Schülern)

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Aussagen des Landwirtes Jakob  Pleesz aus Schajkasch Sveti Ivan, Bezirk Titel:

Die Verhältnisse im Konzentrationslager Jarek von seiner Errichtung im Dezember 1944 bis zu seiner Auflösung im April 1946.

In den ersten Tagen nach der Machtübernahme durch  die Tito Partisanen wurden alle deutschstämmigen Männer eingesperrt und misshandelt. Der aus Schajkasch Sv. Ivan stammende Partisane Beric Mile nahm mir gleich meine Brieftasche mit Geld und meine goldene Uhr weg. Meine Dorfgenossen Daniel Kiehner, Tischlermeister, und Michael Sutter, Landarbeiter, wurden von den ortsansässigen Partisanen erschossen. Aus der Haft wurden wir jedoch bald entlassen, nachdem man uns alles Geld und Wertsachen abgenommen hatte. Am 3.12.1944 musste ich binnen fünf Minuten für immer meine Wohnung verlassen. Ich hatte nur das bei mir, was ich am Leibe trug. Ähnlich und zum Teil noch schlimmer erging es allen übrigen Deutschstämmigen aus meinem Dorf. Wir wurden alle zusammen getrieben und von dort nach Backi-Jarak geführt.

Backi-Jarak war früher eine deutschstämmige und rein evangelische Gemeinde mit rund 2.000 Seelen. Sie wurde in ein großes Vernichtungslager für Deutschstämmige aus der Batschka umgewandelt. Ich war mit meinen Dorfgenossen aus Schaikasch Sw. Ivan unter den ersten, die in dieses Lager eingeliefert wurden und blieb mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Auflösung dieses Lagers dauernd dort selbst interniert.

In diesem Lager wurden hauptsächlich ältere Personen und Mütter mit kleinen Kindern, durchwegs Deutschstämmige aus den umliegenden Ortschaften interniert. Die arbeitsfähigen jüngeren Jahrgänge (Männer von 18 bis 45, Frauen und Mädchen von 18 bis 30 Jahren) wurden noch zu Weihnachten nach Russland verschleppt. Die Zahl der Lagerinsassen betrug durchschnittlich 14.000 bis 15.000 Personen.

Die Behandlung der Lagerinsassen war seitens der Partisanen insbesondere 1945 äußerst roh. Wir hatten damals eine serbische Frau, eine Partisanin als Lagerkommandantin. Sie trieb alte Leute auf die Straße und befahl, das Gras mit den Fingernägeln herauszuscharren. Sie schlug Männer wie Frauen wegen Kleinigkeiten. Wenn z.B. jemand, um seinen Hunger zu stillen, Maulbeeren auf der Straße aufhob, so ließ man ihn an einen Baum binden und verprügeln. Die Lagerkommandantin schlug auch Kinder, oft solange, bis ihnen das Blut aus Mund und Nase kam. Häufig wurden Lagerinsassen in den Keller gesperrt.

Am Ostersonntag 1945 musste das ganze Lager mit allem Gepäck auf der Straße antreten. Alle mussten wir das noch vorhandene und versteckte Geld unter Androhung der Todesstrafe hergeben. Gut erhaltene Anzüge und Schuhe wurden uns ausgezogen. Vorher waren schon bei der Einlieferung ins Lager den Leuten Geld und Wertsachen abgenommen worden. Den Frauen wurden Ohrringe, wenn sie schnell genug herausgenommen wurden, einfach herausgerissen, Eheringe wurden ebenfalls alle abgenommen.

Die arbeitsfähigen Lagerinsassen mussten morgens stets 1 – 2 Stunden auf der Straße in Reih und Glied (sroj) stehen und warten, bis sie zur Arbeit abgeholt oder verkauft wurden. Lagerfreie, andersnationale Zivilpersonen haben vielfach Arbeitskräfte vom Lager angefordert und für diese eine festgesetzte Summe mit Postscheck eingezahlt. Ich wurde auch in der Zeit vom 2.3. bis 7.7.1946 von einem serbischen Bauern aus Kamenica, Rado Mihajlovic, für 1160 Dinar zur Arbeitsleistung aus dem Lager gekauft. Von diesem Geld habe ich und auch die anderen Lagerinsassen nichts bekommen. Im Allgemeinen ist es den Leuten, die zur Arbeit herausgekauft wurden, besser ergangen als denen, die im Lager blieben, vor allem verpflegungsmäßig.

An Gottesdiensten durften wir Lagerinsassen nicht teilnehmen. Das Betreten der Kirche war uns allen streng verboten. Nur ein Partisane ging täglich in die Kirche, um mit den Kirchenglocken das Zeichen zur Arbeitszeit oder zum Essenholen zu gebe. Mit uns waren im Lager auch zwei evangelische und ein röm.-kath. Pfarrer. Sie wurden von den Partisanen besonders grob misshandelt, geschlagen und verspottet. Sie mussten stets an der Spitze der Arbeitskommandos mit Blumensträußen auf dem Hut durchs Dorf gehen und wurden zum Gespött gemacht. Im Lager mussten sie die niedrigste Arbeit, wie z.B. Klosette reinigen, verrichten.

Post (Briefe oder Pakete) durften wir in diesem Lager nicht empfangen. Vom Roten Kreuz, von der UNRRA oder sonstigen Verbänden haben wir keinerlei Hilfe bekommen. Nur heimlich hatten uns gut gesinnte Serben, hauptsächlich aus Futok und Paschicevo Lebensmittel zugesteckt.

Die Verpflegung im Lager war völlig unzureichend und schlecht. Es gab lediglich geschmacklose Wassersuppe ohne Fett und vielfach ohne Salz. Fleisch gab es keines.

Die Kranken wurden anfangs von den übrigen Lagerinsassen abgesondert, erhielten aber keine Sonderverpflegung und wurden auch nicht besser behandelt. Sie lagen genauso wie wir auf etwas Stroh auf dem Fußboden. Wir hatten zwei Ärzte, die ebenfalls interniert waren. Der eine konnte sich selbst nicht helfen und ist binnen kurzer Zeit gestorben. Der andere, Dr. Müller aus Budisava, gab sich zwar Mühe, konnte aber nicht viel erreichen, da keine Medikamente vorhanden waren.

Wir hatten sehr viel Ungeziefer, hauptsächlich Läuse. Im Mai 1945 brach im Lager Typhus aus. Alle waren wir furchtbar unterernährt und völlig herabgekommen. Täglich sind in dieser Zeit 40 bis 50, einmal sogar 53 Personen gestorben. Sie wurden in Massengräbern auf dem Friedhof ohne Beisein der Angehörigen und ohne Priester eingescharrt. Ich war damals 4 Monate hindurch Totengräber. In einem Massengrab von 2 m Breite  und 2 m Tiefe hatten wir 500 bis 700 Tote in vier bis fünf Schichten aufeinandergelegt.

Den Friedhof durften nur die Totengräber betreten. Es gab insgesamt 16 Totengräber. Zwölf Männer, darunter auch ich, hatten morgens die Gräber ausgehoben und abends zugedeckt. Vier Totengräber führten die Toten aus dem Lager auf den Friedhof, entkleideten sie und schichteten sie in die ausgehobenen Gräber. Die Toten wurden auf Befehl der Partisanen nackt beerdigt, die Kleider mussten von den Totengräbern in einem Magazin abgegeben werden. Insgesamt sind von 3.12.1944 bis zur Auflösung des Lagers am 17.4.1946 rund 9.300 Personen gestorben. (Die richtige Zahl ist ca. 6.300. Möglicherweise handelt es sich um einen Abschreibfehler bei der Übertragung seiner ersten handschriftlichen Fassung. Der Berichterstatter konnte sich bei einer Rückfrage nicht mehr genau erinnern). Diese Zahl wurde mir von meinen Dorfgenossen Jakob Heumel, Maurermeister, der während der ganzen Zeit als Totengräber tätig war, mitgeteilt. Von den in meinem Heimatort im Herbst 1944 zurückgebliebenen 72 Dorfgenossen sind bis zu meiner Flucht im April 1947, 53 im Lager gestorben. Auf dem Friedhof wurden anfangs Holzkreuze aus Latten aufgestellt. Sie wurden später auf Befehl der Partisanen herausgerissen und in der Lagerküche verheizt. Über den Gräbern wuchert Unkraut.

Das Lager Jarek, das wegen seiner hohen Zahl an Toten aus ”Sterbelager” oder ”Vernichtungslager” genannt wurde, ist am 17.04.1946 aufgelöst worden. Die Lagerinsassen wurden auf die großen Konzentrationslager Kruschewlje und Gakowo, Kreis Sombor verteilt. Ich war um diese Zeit bei einem Bauern in Kamenica auf Arbeit. (Er hatte mich aus dem Lager herausgekauft). Meine Frau kam nach Kruschewlje, wohin ich ihr ebenfalls am 7.7.46 gefolgt bin.

In Kruschevlje hat mich bald ein Bauer herausgekauft zur Arbeit, so dass ich mehr außerhalb des Lagers als im Lager war. Ich habe aber feststellen können, dass sich seit Anfang 1947 die Behandlung der Lagerinsassen wesentlich gebessert hat. Die Partisanen, die uns bisher bewacht und misshandelt hatten, wurden von der Miliz abgelöst. Willkürliche Erschießungen sind nicht mehr vorgekommen, auch waren Misshandlungen seltener. Die Lagerverpflegung blieb aber nach wie vor schlecht und unzureichend. Diejenigen, die außerhalb des Lagers auf Feldarbeiten beschäftigt waren, konnten sich Lebensmittel erbetteln oder eintauschen. Es durften auch Lebensmittelpakete mit der Post seit Anfang 1947 ins Lager geschickt werden.

Die Flucht über die nahe Grenze war nicht mehr so gefährlich wie früher. Es ist oft vorgekommen, dass bis hundert Personen in einer Nacht nach Ungarn geflohen sind. Ich machte mich mit meiner Frau am 12.4.1947 nachts auf den Weg und schlug mich nach anderthalb Monaten über Ungarn und Österreich nach Deutschland durch, wo ich am 29.05.1947 bei meinem Sohn in Neureuth, Krs. Karlsruhe eintraf.

(Siehe: Dokumentation der Vertreibung, Bd. V.)

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Das Lager mit den Augen eines Kindes,


Agathe Dorth-Prochaska:

Im Februar 1945 sind die Partisanen ins Haus gekommen und haben Mutti und Oma Dorth ins Lager geholt. Gűnther, Helmuth und ich durften nicht mit, wir mussten zu Tante Florchen und Onkel Gyula (Klein). Was das alles bedeutete, wusste ich ja nicht, auch meine zwei kleinen Brüder hatten keine Ahnung, worum es sich handelte. Ich war ja erst acht, Gűnther fünf und Helmuth zwei Jahre alt. Wir wussten nur, daß wir lieber mit unserer Mutter zusammen gewesen wären, aber wir fühlten uns nicht zu sehr getrennt von Mutti, das Lager war ja in der Seidenfabrik, nur ein paar Gassen weg von uns, ich wusste ja, wo das war.

Pfingsten 1945 war die allgemeine Internierung. Ich hatte keine Angst und war nur froh, dass wir jetzt wieder mit Mutti zusammen waren. Was wir tragen konnten, durften wir mitnehmen. Man kann sich vorstellen, dass es nicht sehr viel war. Wir kamen auf den zweiten Stock der Seidenfabrik. Es war ein sehr großer Raum mit Stroh auf dem Boden und von Wand zu Wand lagen Menschen wie Vieh in einem Stall. Am ersten Abend kam Mutti uns zu besuchen. Wie waren wir alle froh und glücklich, nach so langer Zeit beieinander sein zu dürfen!

Mutti und Oma mussten tagsüber außerhalb des Lagers arbeiten. Es war ja nicht so schlimm. Am dritten Tag mussten wir unsere paar armen Sachen packen. Sie kamen auf einen Wagen und wir alle darauf. Man hörte, es gehe nach Jarek. Was das bedeutete, davon hatte ich bestimmt keine Ahnung. Hoch auf dem Wagen sitzend auf den vielen Bündeln kann ich mich erinnern, dass wir an Oma Gabels Haus vorbeifuhren. Manche hatten Tränen in den Augen, auch ich musste weinen. Es musste schon spät am Nachmittag gewesen sein, als wir am Bahnhof ankamen.

Wir kamen in offene Viehwaggons, ein Mensch an den anderen. Mit den Sternen hoch am Himmel sind wir durch die Nacht gefahren in die Fremde. Es war gut, dass wir so eng beisammen saßen, denn es war kalt; ich weiß nur, dass ich zitterte. Mutti und Oma ließen wir in Werbass zurück, nur Tante war bei uns. Mutti hatte keine Ahnung, dass wir Werbaß verlassen hatten.

Es war noch dunkel, als wir in Jarek ankamen. Dort wurden wir auf die einzelnen Häuser verteilt. Jarek war ein leeres Dorf, menschenleer, in den Häusern keine Möbel. Kein Vieh, keine Katze oder Hund waren zu sehen. Sogar der Brunnen im Hof war trocken. Man hatte große Steine bis zum Rande in den Brunnen geworfen.

Wir kamen in ein Haus, ich glaube in der Spitalgasse. Es war eines von zwei gleichen Häusern nebeneinander, mit hölzernen Rollladen an den Gassenfenstern.( Hsn. 178 und 179 )Wir kamen in eines der Gassenzimmer. Wir teilten das Zimmer mit ungefähr zehn anderen Menschen. Es war unser Heim für die nächsten Monate. Durch die Mitte des Zimmers führte ein Pfad, an beiden Rändern war ein zwei bis drei Ziegel hohes Mäuerchen, dass das Stroh der Lagerstatt begrenzte. Auf das Stroh kamen unsere paar armen Bettsachen; unser Kleiderbündel diente als Kopfkissen.

Die Zentralküche für das Lager war in einem Hause in unserer Nähe, so dass wir es nicht zu weit hatten und das Essen noch warm bekamen. Mit einem Kochgeschirr holten wir das Essen jeweils für die ganze Familie.

Dreimal am Tag bekamen wir zu essen. Das Frühstück bestand aus Maisbrei in Wasser gekocht und Kaffee. Mittags gab es meistens eine Suppe. Oft waren es trockene Erbsen, selbstverständlich ungereinigt, so dass schwarze Käfer auf ihr schwammen. Das Maisbrot, das wir dazu bekamen, war so rauh, dass es einem den Mund aufriss. Keiner durfte die Gasse betreten; nur dreimal am Tage, wenn die Kirchenglocken läuteten, durften wir das Essen holen.

Wenn die Glocke zum Mittagessen läutete, kam auch der Totenwagen, der von Pferden gezogen wurde. Rechts und links der Straße kamen die Leute mit ihren Toten, die in den letzten 24 Stunden gestorben waren. Die Toten wurden aufeinander auf den Wagen geworfen. Mancher Mund war weit offen, sie lagen da mit geöffneten Augen, Arme oder Beine baumelten auf und ab, wenn der Wagen die Straße entlang zum Friedhof fuhr, wo sie in einem Massengrab ihre letzte Ruhe fanden. Die Angehörigen hatten den Toten oftmals in das letzte noch vorhandene Leintuch genäht und ihm so die letzte Ehre erwiesen.

Der Tod ist unserem kleinen Zimmer auch nicht ferngeblieben. Der Erste, den der Tod aus unserem engeren Kreis nahm, war Christel Dorths Söhnchen Dieter. Er war noch ein Baby. Sie und eine Frau ein paar Häuser entfernt von uns, die ihren eigenen Sohn verloren hatte, hatten ihn gesäugt. Dieter musste am Tage gestorben sein. Zwei kleine Steinchen kamen auf seine Augen, damit sie geschlossen blieben, dann wurde er in ein Tuch eingenäht. Über Nacht kam er in die Speisekammer, so dass er nicht mit uns im gleichen Zimmer war.

Florchen Tante war noch bei uns. Tagsüber musste sie in den Weingärten arbeiten. Oft kam sie abends nachhause mit Trauben in ihrem Büstenhalter. Wie froh waren wir über diese Extraleckerbissen! Auch die Maulbeeren am Straßenrande bereicherten unsere Nahrung. Leider bekamen viele von uns Durchfall und Wassersucht, an denen viele starben. Auch die armen Spatzen mußten ihr Leben zur Bereicherung unserer Nahrung geben. Wir haben sie mit Fallen gefangen und nachher auf Holz gebraten. In einer Nacht wurden wir von der Lagerwache, die mit Taschenlampen kam, bestohlen. Sie nahmen, was ihnen von unseren Lumpen gefiel. Florchen-Tante war jetzt so verdrießlich geworden. Eines Tages war sie fort, wir wußten nicht wohin. Sie war ungefähr sechs Wochen bei uns.

Tante Christel nahm sich jetzt unser an. Tante Christel und ich machten für die vier Kleinen, Günther, Helmuth, Hannelore und Manfred, was wir konnten, was leider nicht viel war. Im Hof badeten wir in einem Holztrog in kaltem Wasser ohne Seife. Die Kleider wurden fast nie gewaschen. Es gab keine Seife und keine Möglichkeit, die Wäsche aufzuhängen und zu trocknen. Auch war man vor Diebstahl nicht sicher. So trug man die Körperwäsche Tag und Nacht. Wir haben bestimmt alle gestunken. Man kann sich vorstellen, wie sich die Läuse vermehrten. Ich kann heute noch Frau Klein, Tante Florchens Schwiegermutter sehen, wie sie über einem Tuch saß, um ihr kurz geschnittenes Haar mit einem Kamm zu kämmen und nachher die Läuse zwischen den Daumennägeln zu töten. Oft untersuchte man den Saum der Kleider und fing die Läuse. Doch all das hatte keinen Zweck: die Läuse waren doch im Stroh. Unsere Körper waren voll von Krusten und Wunden, wo wir von den Läusen gebissen worden waren und nachher gekratzt hatten.

Bald lief die Toilette über, so dass es in den Gang ging, wo einem dann die Brühe an den Beinen hochging, dann hatte man damit zu tun. Nachher wurde ein Graben zwischen der Sommerküche im Hof und der Wand des Nachbarhauses gezogen; als Brett mußte eine Eisenstange dienen. Man kann sich vorstellen, wie kalt das Metall an grimmigen Winterabenden war. Man musste acht geben, dass die Haut nicht festklebte.

Nicht lange nach Tante Florchens Weggang kam Daniel Dorth jun. eines Morgens und teilte uns mit, sein Großvater, Philipp Dorth, ein Onkel meines Vaters (Adam Dorth), habe sich erhängt. Seine Frau war einige Wochen vorher gestorben. Er hatte Wasser von der Unterernährung und wusste, dass auch sein Ende kommen würde. Er konnte leider das Leben nicht mehr nehmen, so nahm er halt sein eigenes Leben. Auch Frau Klein und ihre Schwester waren inzwischen gestorben.

Tante Christel musste jetzt mit ihren zwei Kindern von uns weg zu den anderen Dorths, denen sie sich näher fühlte. Jetzt waren wir halt ganz allein, ich mit meinen zwei kleinen Brüdern. Helmuth bekam den Durchfall. Ich wusste, dass es schlimm war, ich hatte ja viele Leute daran sterben sehen. Ich wusste nur, etwas musste gemacht werden. Ich nahm einen Ziegel, wärmte ihn, und Helmuth mußte sich darauf setzten. Ich hatte den Ziegel leider so heiß gemacht, daß sich der arme Kerl den Hintern verbrannte. Auch Holz habe ich verbrannt und die Kohlen genommen und Pulver gemacht. Helmuth musste das Kohlepulver mit Wasser einnehmen. Wo ich das her hatte, weiß ich nicht. Ob es geholfen hat, weiß ich auch nicht, aber Helmuth ist heute noch da. Einmal stolperte Helmuth, und da wir oft keine Schuhe anhatten und barfuß gingen, verlor er den Nagel einer großen Zehe und bekam eine schlimme Infektion. Auch heute noch fehlt ihm der Nagel dieser Zehe.

Becker Urgroßmutter, die Großmutter meines Vaters, kam jetzt zu uns ins Zimmer. Sie war krank, ihre Schwester war schon gestorben. Vorher wohnte sie mit ihr in der gleichen Gasse über dem Weg. Sie konnte nicht mehr stehen, hatte Durchfall und schlief den ganzen Tag. Sie wurde immer schwächer. Sie kam in den Pferdestall, wo die Schwerkranken hinkamen, so dass sie nicht bei uns im Zimmer starben. Eines Tages, als ich sie besuchte, sagte sie ganz leise, dass ich sie kaum verstehen konnte: Mein Kind, die Hunde beißen an meinen Beinen.” Als ich die Decke hochnahm, um nachzusehen sah ich, dass Ratten an ihren Zehen genagt hatten. Die arme alte Frau war noch nicht einmal tot.

Manchmal benahmen wir uns doch wie Kinder. Im Hof haben wir gespielt, aus Zweigen und Fetzen haben wir Puppen gemacht, zwischen den Gärten sind wir herumgelaufen und haben uns doch ab und zu froh gefühlt.

Im Winter war es sehr kalt. Wir hatten zwar einen Kachelofen im Zimmer, aber leider nichts zu heizen. Die Zäune waren alle schon abgerissen und verbrannt, obwohl dies verboten war. Eines Tages hörten wir in einem Hause auf der anderen Seite der Straße liege Weizen. Wir nahmen unsere Esstöpfe, stahlen uns durch die Gärten zu dem Hause und holten Weizen, den wir im Ofen verbrannten, um warm zu bekommen. Auch die Stützhölzer der Decke im Pferdestall haben wir uns heruntergeholt, den Lehm kratzten wir ab, Holz und Stroh haben wir verbrannt. Das durfte natürlich nur heimlich geschehen, sonst wäre man empfindlich bestraft worden.

Wo Mutti war und wie es ihr ging, wussten wir nicht. Eines Tages kam dann ein serbischer Bauer aus Altwerbaß mit seinem Wagen, um uns abzuholen und zu Mutti zu bringen. Wie froh wir waren! Es war wieder Frühjahr, fast ein ganzes Jahr war vergangen. Es war noch kalt, als wir im Wagen unter dem Pelz saßen und gegen Werbaß fuhren. Der Bauer brachte uns zu der Familie in Werbaß, wo Mutti im Haushalt arbeitete. Als wir vom Wagen herunterkamen, hörte ich die Stimme meiner Mutter   auch heute kann ich noch die Worte hören: Wie schaut ihr denn aus?” Mir war das unverständlich, mit uns war doch nichts los. Leider wussten wir nicht, dass auch wir Wasser hatten, wie alle Unterernährten. Unsere Köpfe waren größer geworden, wir hatten tief eingefallene Augen und geschwollene Bäuche. Abends hörte ich Mutti zur Hausfrau sagen, dass sie mit der Ernährung aufpassen müsse und uns nicht zu reichlich Essen zu geben, damit wir nicht krank werden.

Wir konnten nicht bei Mutti bleiben. So ging es mit uns in das Diakonissenhaus. Dort fing ein normales Leben an. Wieder einmal in einem Bett zu schlafen, an einem Tisch mit Stühlen zu sitzen, mit Kindern zu lachen, zu spielen und mal wieder in die Schule zu gehen, das war ein Leben! Es war herrlich. Mutti kam uns jeden Sonntag besuchen. Wie froh wir alle waren!

Leider währte das Glück nicht lange. Der Lagerkommandant hatte von unserer Freiheit gehört. Der Bauer, der uns in Jarek freigekauft hatte, musste uns holen, und wir mussten für ihn arbeiten.

Helmuth war zu klein für die Arbeit am Bauernhof. Er durfte zur Mutti in die Altwerbasser Hanffabrik, wo sie jetzt arbeitete. Günther hütete die Schweine und ich die Kühe. Wir waren den ganzen Tag draußen allein mit dem Vieh. Die deutschen Sallaschen waren alle leer und verlassen. Oft sah ich riesige Ratten von Gebäude zu Gebäude laufen oder sich in der warmen Sonne zu sonnen, wenn ich die Kühe auf der Weide hütete.

Eines Abends kam ich mit meinen Kühen auf den Sallasch zurück. Es wurde schon dunkel, und Günther war mit den Schweinen immer noch nicht da. Wir hatten einen sehr schlimmen Eber, der sehr große Zähne hatte. Auf einmal kamen die Schweine allein nachhause ohne meinen Bruder. Ich war sicher, daß der Eber ihn gefressen hatte. Es war mir sehr bange. Wir begaben uns alle auf das Feld am Graben mit den vielen Weiden entlang. Was war geschehen? Günther war müde geworden und war dort eingeschlafen. Ich war so froh, dass er noch am Leben war, aber gleichzeitig hätte ich ihn totschlagen können, weil er mir eine so große Angst eingejagt hatte.

Der Winter kam, kein Vieh war mehr zu hüten. So mussten wir im Januar auch ins Lager zu Mutti, die jetzt wieder in der Seidenfabrik war. Mutti hatte jetzt nicht nur drei Kinder, sondern auch Tante Florchens zwei Töchter, die früher in Subotica bei einer jüdischen Familie waren. Sie konnten es dort nicht mehr aushalten und sind von dort weg zu Oma Dorth und Mutti gekommen. Mit fünf Kindern konnten Mutti und Oma nicht mehr länger im Werbaßer Lager bleiben.

In der Nacht, in der Kälte eng zusammengerückt, ging es in einem Viehwaggon nach Kruschiwl ins Lager. Wir wurden in die Häuser eingewiesen wie in Jarek. Wir lagen mit vielen Leuten zusammen wie Sardinen. Es war hier aber doch besser als in Jarek, obwohl Mutti meinte, es sei sehr schlimm. Das Essen war aber viel besser und reichhaltiger, man hatte nicht ständig Hunger und besaß auch mehr Freiheit. Man konnte auf der Gasse von Haus zu Haus gehen ohne Angst erschossen zu werden.

In Kruschiwl sind wir wieder mit Tante Christel und ihrer Familie und Daniel Dorth jun. vereint worden. Leider waren Daniels Mutter und auch seine kleine Schwester gestorben.

Man hörte, dass gegen Geld die Lagerwachen die Menschen über die Grenze nach Ungarn führten. Renate, Tante Florchens älteste Tochter, und Mutti schlichen sich in der Nacht nach Werbaß, um dort Geld zu bekommen. Mutti hatte nämlich einem Serben ihren Schmuck zur Aufbewahrung hinterlassen. Wir bangten, ob wir sie wieder sehen würden.

Nach vielen bangen Tagen der Ungewißheit kamen sie zurück und brachten Geld mit. So erkauften wir uns die Freiheit. Mit einer ganzen Herde von Menschen machten wir uns in einer Nacht mit unserer geringen Habe auf dem Rücken auf den Weg in die Freiheit. Ich weiß nur noch, daß wir nach vielen Stunden auf einem dünnen, schmalen Brett einen winzigen Fluß überschritten. Da hieß es, wir seien in Ungarn. Auf dem langen Wege fragte Klein Helmuth immer wieder: „Wie lange noch bis zu Oma Gabel?”, denn er wußte, dass wir zu ihr unterwegs waren. Mutti zeigte in die Ferne und sagte: Siehst du dort das kleine Licht, mein Kind, dort ist Oma Gabel.” So hat er nie den Mut verloren, wenn er zu müde wurde, um weitergehen zu können.

Die erste Nacht in der Freiheit   wir hatten immer noch Angst, man könnte uns über die Grenze zurückwerfen   verbrachten wir in einem warmen Kuhstall mit Kühen. Weiter ging es zu Fuß. Ein paar Tage verbrachten wir an einem Ziegelofen in einem kalten, offenen Schuppen. Dort holte Onkel Gyula seine zwei Töchter ab. Jetzt waren wir noch neun, alle Dorths, Tante Christel und ihre zwei Kinder, Daniel Dorth, Oma Dorth und wir vier.

Die Grenze nach Osterreich überschritten wir mehrere Male. Dort wollte man uns nicht und schob uns immer nach Ungarn ab. Einmal wurden wir sogar ins Gefängnis geworfen. Doch endlich gelang es uns, in das Innere Österreichs zu kommen. Wir kamen auf Schloß Freiberg bei Graz, wo Tante Florchen und ihre Familie ein Heim gründeten. Wir blieben dort nur ein paar Tage. Dann ging es wieder in ein Lager. Oma Dorth blieb bei Tante. Es war ein englisches Lager, von dort hofften wir am ehesten in die britische Zone Deutschlands zu kommen, wo Oma Gabel war. Wir blieben nur ein paar Wochen im Lager, da Kinderlähmung ausbrach und das Lager geschlossen wurde.

Wieder haben wir schwarz zu Fuß die österreichische Grenze überschritten. Es ging einen herrlichen Fluß entlang in dichtem Walde nach Deutschland. Dann fuhren wir mit dem Zug zu Oma Gabel. Dort in Degersen hat Klein Helmuth an einem warmen, sonnigen Augustnachmittag 1946 endlich sein kleines Licht erreicht. Oma und Tante Kati saßen in der Diele und machten Handarbeiten, als wir ankamen. Sie trauten kaum ihren Augen, als sie uns sahen. Das war ein Wiedersehen!

(40 Jahre nach dem Verlassen der Heimat erreichte uns dieser Bericht. Wir wollen keine Wunden aufreißen. Die Erinnerung aber soll aufleuchten, wie ein kleines tapferes Mädchen seine Welt sah und wie es mit ihr fertig wurde. Ohne Haß und Groll schildert sie, wie viel Schweres und doch auch manchmal Tröstendes sie erfuhr und wie sie mit allem fertig wurde. Frau Agathe, geb. Dorth, hat bewiesen, wie der Mensch ja schon das Kind an einer Aufgabe wächst. Sie ist dadurch sicher ein reicherer Mensch geworden. Wir danken für diesen Bericht herzlich.)


(Dieser Bericht wurde in zwei Zeitungen veröffentlicht: in “Der Donauschwabe“
 vom: 16.  09. 1984  und in der “Werbaßer Zeitung” vom Sept. 1984.)

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