Das Jareker Schülerorchester und seine kulturelle Tätigkeit

von Jacob Schwindt+  (geschrieben für den Heimatbrief Jarek, Dez.1996)


Mein Freund Friedrich Binder dürfte der erste Landsmann gewesen sein, der in einem seiner Berichte aus der Geschichte unseres kulturellen Lebens zwischen beiden Weltkriegen das Jareker Schülerorchester erwähnt und gewürdigt hat. Da er und ich als Geiger und Cellist, ehemalige Mitglieder dieses Klangkörpers waren, zu dem noch wenige Überlebenden gehören, will ich über seine Tätigkeit und seine öffentlichen Auftritte schreiben. Zuerst will ich aber als Einführung dazu über die Gründung der Deutschen Schulstiftung im Jahre 1931 berichten, da die Aufstellung des Orchesters damit zusammenhängt.
Wir älteren Landsleute erinnern uns noch sehr gut an den Aufruf der neugegründeten Deutschen Schulstiftung um Spenden für die Gründung und Eröffnung der Deutschen Lehrerbildungsanstalt in Groß-Betschkerek, die ein Jahr später nach Neu-Werbaß verlegt wurde und 1934 die ersten Junglehrerinnen und Junglehrer mit einem Diplom entlassen konnte. Die damalige Regierung in Belgrad hatte die Gründung einer privaten deutschen Lehrerbildungsanstalt genehmigt unter der Voraussetzung, dass die Schulstiftung für die finanziellen Belange der Schule aufkommen muß. Da das dazu erforderliche Geld nicht vorhanden war, forderten die Initiatoren und Gründer der Schulstiftung, zu denen unter anderen Senator Dr. Georg Graßl, Abgeordneter Dr. Stefan Kraft, Bundesobmann des Kulturbundes Johann Keks und Bundessekretär Mathias Gilljum gehörten, die deutsche Bevölkerung zu freiwilligen Spenden für die Schulstiftung auf. Das Echo darauf wirkte wie ein Wunder: innerhalb von drei Monaten waren zwischen zweieinhalb und drei Millionen Dinar eingegangen, eine geschichtliche Tat! Es war uns bewusst geworden, dass unser deutscher völkischer Bestand ohne eigene Schulen mit deutschem Unterricht vom Untergang bedroht war.
Nun zurück zu Jarek, dem wunderschönen rein deutschen Dorf bei Neusatz. In Jarek gab es 1931 eine große Anzahl höherer Schüler, die auch eine musikalische Ausbildung erhielten. Ich halte ihre Namen fest: Schüler der Lehrerbildungsanstalt Sombor und Werschetz waren: Franz Schübler, Anton Zieger, Johann Böhm, Franz Greuling, Peter Bloser; der Handelsakademie Neusatz: Rudolf Oreskovich von Breiten-Thun, Georg Roth, Hans Schindler, Hans Wolf, Jakob Wolf, Gottfried Mayer; das Gymnasium besuchten: Michael Schollenberger, Gustav Morgenthaler, Hans Nonnenmacher, Hans Heinz; die Musikschule: Willi Heinz.
Alle diese Schüler taten sich zusammen und bildeten ein Orchester und einen kleinen Männerchor. Dazu kamen noch Mitzi Jeisel, eine Wienerin, Ehefrau des Agrariabeamten Michael Jeisel aus Jarek, Josef Loffl und Nikolaus Sellman, Freunde von der Werschetzer Lehrerbildungsanstalt sowie Friedrich Binder und Jacob Schwindt, die auch in Werschetz die Lehrerbildungsanstalt besuchten und aus dem Jareker Nachbardorf Budisawa, die Jareker nannten es „Neidorf“, stammten.
Das Orchester setzte sich zusammen aus Primviolinen, Obligatviolinen, Cellis, Kontrabaß und Klavier. Zwei Wochen lang probten wir täglich im großen Wirtshaussaal, wo der Flügel stand, und stellten vorzügliche Programme zusammen, von denen ich noch einige Beiträge erwähnen kann: die Ouvertüre „Der Kalif von Bagdad" von Boieldieu, die Walzer „Wiener Blut", „Wein, Weib und Gesang" und die „Anne-Polka" von Johann Strauß, desgleichen den Straußwalzer „Frühlingsstimmen" als solistischen Klavierbeitrag von Mitzi Jeisel gespielt, die Serenata „ Der Engel Lied" von Gaetano Braga als Violinsolo von Johann Böhm gespielt und von Josef Loffl auf dem Klavier begleitet, die Cellosoli "Träumerei" von Schumann und „Frühlingserwachen“ " von Sinding, gespielt von Nikolaus Sellmann mit Klavierbegleitung von Mitzi Jeisel, dann die Ballade von Loewe „Die Uhr" für Baritonsolo, gesungen von Willi Heinz, der sich selbst auf dem Klavier begleitete. Wir hatten aber auch einen kleinen Männerchor zusammengestellt, den Willi Heinz leitete und alle die ausdrucksvollen Chöre „Der Lindenbaum", „Das Wandern ist des Müllers Lust", „Das Lieben bringt groß Freud", „Nun leb wohl, du kleine Gasse" und noch manches andere schöne Volkslied auf dem Klavier begleitete.
Drei Jahre lang haben wir in den Sommerferien in Jarek konzertiert und die Einnahmen der freiwilligen Spenden der Schulstiftung zugeführt. Ich fühle mich verpflichtet an dieser Stelle ein Wort der Anerkennung und des Dankes an die großzügigen Jareker Spender zu richten. Wir hatten über 20.000 Dinar dem dankbaren Sekretär der Schulstiftung Mathias Gilljum ausgehändigt. Ich habe selbst gesehen, wie der Notar Johann Böhm, ein Jareker Ortskind, und die Großbauern und Gemeinderäte Nikolaus Schurr, Johann Krumm und Mathias Morgenthaler - um nur einige zu nennen - mehrere zusammengefaltete Hunderter nicht in das Spendenkörbchen legten, sondern aus Bescheidenheit unter das Körbchen schoben.
Ich denke noch heute in innerer Ergriffenheit an die drei Sommerferien in Jarek, an die feine Kameradschaft und Freundschaft, die ein Leben lang bestanden hat. Mit Trauer im Herzen muß ich feststellen, dass bis auf Josef Loffl in den USA, Nikolaus Sellmann, Friedrich Binder und mir, alle das Zeitliche gesegnet haben und in Gottes Frieden eingekehrt sind. Sie ruhen in Rußland, Jugoslawien, USA, Argentinien und in der neuen Heimat, wo ich einigen die letzte Ehre am Grab erweisen konnte. Wir hatten uns jahrzehntelang immer wieder in unverbrüchlicher Freundschaft getroffen und von unserer schönen Jugend in der alten Heimat geschwärmt. Die Treue und die Freundschaft war kein leerer Wahn. Ehre ihrem Andenken!